Dis Absichten des Generalobersten v. Prittwih.
55
XVII. Armeekorps abzulösen hatten, das ganze aktive XX. Armeekorps
und die 70. Landwehr-Brigade zum Schutz der Südgrenze vor. Nur
das XVII. Armeekorps sollte mit der Bahn an die Ostfront gebracht
werden, ferner sollte aus der Hauptreserve der Festung Königs¬
berg (9. Landwehr-Brigade) bei Insterburg durch Hinzutritt von Ersatz¬
truppenteilen des I. Armeekorps eine neue, wenn auch schwache Division
gebildet werden. Einschließlich aller Reserve-, Ersatz- und Landwehr¬
truppen und der Hauptreserve von Thorn waren für die Abwehr gegen
Süden 4 Divisionen Infanterie in Aussicht genommen, für den Angriff
gegen Osten etwa 9 Divisionen Infanterie und 1 Kavallerie-Division.
Der Stoß gegen die Njemen-Armee konnte nicht beliebig weit nach
Osten geführt werden. Den Gegner in seinem eigenen Lande aufzusuchen,
verbot sich selbst bei größter Kühnheit der Führung wegen der Gefähr¬
dung der rückwärtigen Verbindungen durch die Narew-Armee. So
mußte man wohl oder übel warten, bis die Njemen-Armee in erreich¬
bare Nähe kam und alle mit solchem Abwarten verbundenen Nachteile
in Kauf nehmen. Anderseits sollte der Schlag den Gegner vernichtend
treffen, denn dann erst würde es möglich sein, sich mit ganzer Kraft
nach Süden gegen die Narew-Armee zu wenden. Am günstigsten schien
es dem Oberkommando, wenn es gelang, die Russen an der Angerapp
anlaufen zu lassen und sie dann, von Süden und Norden umfassend,
anzufallen. Je eher sie kamen, um so besser, denn viel Feit war in der
Lage der 8. Armee nicht zu verlieren. Aus diese Gedanken bauten sich
die weiteren Maßnahmen des Armee-Oberkommandos auf.
Wesentlich anders als das Armee-Oberkommando sah der mit dem
Grenzschutz gegen Osten betraute Kommandierende General des
I. Armeekorps, Generalleutnant v. Frangois, die Lage an. Seit
reichlich einem Fahre hatte er sich als Kommandierender General in
Königsberg mit der Frage beschäftigt, wie er den Feind bei Kriegs¬
beginn abwehren könne. Er betrachtete den Schutz der Provinz Ost¬
preußen gegen feindliche Einfälle als seine vornehmste Ausgabe
und hatte bei verschiedenen Anlässen den Gedanken ausgesprochen, daß
er die Provinz mit seinem Korps gegen solche Einfälle schützen werde.
Die vom Großen Generalstab aufgestellte Anweisung für die Deckung
des Aufmarsches der 8. Armee hatte ihn nun beauftragt, „die zur Siche¬
rung seines Korpsbezirks erforderlichen Maßnahmen zu treffen".
General v. Frangois hatte sich dabei das hohe Ziel gesteckt, die Russen
trotz der großen Ausdehnung der Grenze schon an dieser abzuwehren.
Dazu wollte er dem Gegner, wo er sich zeigte, zu Leibe gehen, ihn wo-