Volltext: Die Befreiung Ostpreußens (2. 1925)

Die Verteidigung Ostpreußens. 
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Ausnutzung der inneren Linie zu kühnem und raschem 
Angriff gegen einen Teil der feindlichen Übermacht war in 
solcher Lage ein Sieg zu erwarten. Dabei spielten die Masurischen 
Seen beiderseits der Feste Doyen (Lötzen) eine besondere Rolle, indem 
sie die von Süden und Osten anrückenden Russenheere trennten und 
dadurch dem Verteidiger Gelegenheit boten, mit einer russischen 
Armee nach der anderen abzurechnen. Um das trennende Gebiet 
noch zu verbreitern, war schon im Frieden im Anschluß an die Seen 
nach Westen bis Ortelsburg eine Reihe leichter Sperrbefestigungen 
angelegt worden, die zum mindesten den Einbruch russischer Kavallerie- 
massen aufhalten sollten. 
General Gras Schliessen hatte als Generalstabschef bei der Be¬ 
sprechung einer Aufgabe, die die Verteidigung Ostpreußens gegen eine 
feindliche Übermacht von drei Armeen betraf, im Jahre 1898 gesagt: „Die 
deutsche Armee, von drei Seiten bedroht, hat nichts Besseres zu tun, als 
den nächsten Gegner anzugreifen, ihn zu schlagen, und sich dann gegen 
einen der beiden anderen zu wenden. Werden die Deutschen in zweifel¬ 
haften Kämpfen durch eine russische Armee festgehalten, so gewinnen die 
übrigen Zeit, ihrem Gegner in Flanke und Rücken zu kommen und ihn 
durch ihre Übermacht zu erdrücken. Glaubte daher der deutsche Ober¬ 
kommandierende nicht, einen vollständigen Sieg erfechten zu können, 
so tat er wohl daran, sich — so gut es ging — hinter die Weichsel zurück¬ 
zuziehen und auf die Erfüllung seiner Ausgabe zu verzichten." In dem¬ 
selben Sinn hatte er sich 1901 bei einer ähnlichen Aufgabe geäußert: 
„Am angenehmsten wäre es gewesen, hinter die Weichsel zurückzugehen. 
Letzteres verbot die Aufgabe. Man entschloß sich daher vorwärts zu 
gehen." Als Lösung schlug er vor, in einer Bereitstellung hinter den 
ostpreußischen Seen abzuwarten, bis die Russen näher heran und durch 
die Sperrbefestigungen und die Seenkette getrennt seien, und dann den 
nächsten Gegner — damals die von Osten anrückende russische Njemen- 
Armee — anzugreifen. Diese Gedankengänge waren Gemeingut der 
im Generalstab vorgebildeten Offiziere. Sie in die Tat umzusehen, dazu 
gehörte aber ein Wagemut und eine Willensstärke, wie sie nicht ohne wei¬ 
teres von jedem Führer zu erwarten war. Wie leicht konnte er sich 
bei der Ausführung durch den Gedanken behindern lassen, daß die 
Armee sich für die späteren großen Entscheidungen zu erhalten habe. 
Der von Österreich-Ungarn gewünschte Stoß weit nach Süden 
gegen den Rarew konnte nach der ganzen Lage erst in Frage kommen, 
wenn die von Osten erwartete russische Rjemen-Armee aus dem Felde 
geschlagen war. Der Conradsche Gedanke, sich von Haus aus mit schwächeren
	        
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