Volltext: Die Befreiung Ostpreußens (2. 1925)

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Die Rüstungen und Stärkeverhältnisse bis zum Sommer 1914. 
So war das Stärkeverhältnis für die bei Kriegsbeginn im Osten zu 
lösende Aufgabe recht ungünstig: 
Rußland konnte, ohne die sibirischen und turkestanischen Korps, etwa 
100 Infanterie- und Reserve- und 35 Kavallerie-Divisionen einsehen, gegen 
die die Mittelmächte im ganzen nur über Infanterie- und Reserve- 
Divisionen (davon 13 deutsche) und 12 Kavallerie-Divisionen (davon 
1 deutsche) verfügten. Dabei hatte Österreich aber gleichzeitig etwa 12 
serbische Divisionen abzuwehren. Bei solcher Ungleichheit der 
Zahl war es doppelt notwendig, die vorhandenen Kräfte in 
der entscheidenden Richtung zusammen zu halten: Der an 
Artillerie und technischen Hilfsmitteln beschränkten serbischen Armee konnte 
ein Einbruch nach Ungarn an Donau und Sau verhältnismäßig leicht ver¬ 
wehrt werden, auch eine feindliche Offensive durch das unwegsame Berg- 
land Bosniens und der Herzegowina mußte sich infolge von Nachschub¬ 
schwierigkeiten bald totlaufen. So schien es an der Balkangrenze sehr wohl 
möglich zu sein, mit unterlegenen Kräften eine nachhaltige Verteidigung 
zu führen. Die, soweit man wußte, vom General v. Conrad dafür in 
Aussicht genommenen 8—9 Divisionen hielt der deutsche Generalstab schon 
für einen sehr reichlichen Einsah. Je geringere Kräfte Hsterreich-Ungarn an 
seiner Südgrenze festlegte, um so stärker konnte es auf dem entscheidenden 
Kriegsschauplätze auftreten. Die für diesen schon seit 1909 in Aussicht ge¬ 
nommenen 40 Divisionen waren dem deutschen Generalstabe stets als das 
Mindeste erschienen, das gegen Rußland verfügbar gemacht werden konnte 
und mußte. Seit dem weiteren Anwachsen und der gesteigerten Angriffs- 
bereitschaft der russischen Streitkräfte, und vollends seit dem Ausfall 
Rumäniens, genügten sie kaum noch. Aber auch die letzten österreichisch¬ 
ungarischen Heeresverstärkungen haben in der Zahl der gegen Rußland 
verfügbaren Kräfte keine irgendwie nennenswerte Besserung gebracht: 
An der galizischen Front hatte General v. Conrad 1909 für den 
29. „Mobilisierungstag" einschließlich der Rumänen mit 48 Divisionen 
gegen 40 russische rechnen können, 1914 mußte das Verhältnis — jetzt 
ohne die Rumänen — nach den Vorkriegsberechnungen des Wiener 
Generalstabes x) am 30. Mobilmachungstage 40 österreichisch-ungarische 
gegen 60 russische Divisionen sein! 
Dieses Mißverhältnis der Zahl war aber doch nicht von Anfang an 
zu erwarten. Machte Österreich-Ungarn gleichzeitig mit Rußland mobil, 
dann konnte es etwa am 20. Mobilmachungstage für einen Angriff zwischen 
Bug und Weichsel immer noch auf ausreichende Überlegenheit rechnen. 
*) Kriegsarchiv Wien, Studie des Oberstleutnants Kißling.
	        
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