Volltext: Die Befreiung Ostpreußens (2. 1925)

Die Schwäche der Mittelmächte. 
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macht versprach, fehlte aber. Inwieweit man sich gerade hierüber in Wien 
klar war, steht dahin. General v. Conrad hat jedenfalls nach den deutschen 
Kaisermanövern 1915 in einem Berichte an seinen Kaiser1) die österreichisch¬ 
ungarische Truppenführung und Ausbildung als der deutschen in den 
meisten Punkten überlegen hingestellt und war noch bei Kriegsbeginn 
der Ansicht, daß die Friedensausbildung des österreichisch-ungarischen 
Heeres diesem eine „taktische Geschicklichkeit" verschafft habe, „von der zu 
hoffen war, daß sie ein Moment der Überlegenheit gegenüber den schwer¬ 
fälligeren russischen Massen bilden würde"3). Die mit der Bearbeitung 
Österreich-Ungarns betraute Abteilung des deutschen Generalstabes hatte 
in einer Denkschrift von 1913, der letzten vor dem Kriege, geschrieben: 
„Die zahlenmäßige Stärke, die Intensität der Ausbildung, die Organisation 
und zum Teil auch die Bewaffnung des österreichisch-ungarischen Heeres 
lassen noch zu wünschen übrig. Eine Überlegenheit gegenüber den 
voraussichtlichen Gegnern kann nur erhofft werden von dem vor¬ 
trefflichen Ossizierkorps, der wachsenden Führerschulung, dem regen 
Osfensivgeist und der bisher anscheinend guten Disziplin." Die 
Denkschrift endete mit der Feststellung, daß Österreich-Ungarn, wenn 
es gegen Rußland und am Balkan gleichzeitig zu kämpfen habe, 
den deutschen Kräften in Ostpreußen die dringend erforderliche Ent¬ 
lastung nicht bringen könne. 
Aber auch Deutschland hatte sein Heer bis 1914 nicht in dem Maße 
verstärkt3), daß es bei den steigenden Bedürfnissen des westlichen Kriegs¬ 
schauplatzes für den östlichen weitere Kräfte verfügbar machen konnte. So 
war es dem General v. Moltke bis zum Kriegsausbruch unmöglich, dem 
mehrfach wiederholten Drängen des Generals v. Conrad auf Bereit¬ 
stellung stärkerer Kräfte in Ostpreußen zu entsprechen. Im Jahre 1914 
konnte dorthin im Kriegsfälle nicht mehr gegeben werden als 1909. Es 
hatten im Gegenteil seit dem Frühjahr 1913 statt zweier Reservekorps 
ganz oder teilweise einzelne Ersatz-Divisionen eingesetzt werden müssen, 
die zwar nach Zusammensetzung und Ausrüstung den Reserve-Divisionen 
etwa gleichwertig waren, aber erst am 11. Mobilmachungstage marsch¬ 
bereit sein konnten. Als General v. Conrad im Mai 1914 den Ge¬ 
neralobersten H v. Moltke in Karlsbad aufsuchte, mußte dieser ihm er¬ 
klären, daß er für Ostpreußen nur „12 Divisionen — vielleicht auch etwas 
mehr" stellen könne3). 
*) Conrad III, S. 720. — 2) Conrad IV, S. 488. — 3) Näheres f. Bd. I, 6.11 ff. — 
4) Am 27. Januar 1914 befördert. — &) Conrad III, S. 609ff.
	        
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