Volltext: Die Befreiung Ostpreußens (2. 1925)

338 
Die Schlacht bei Lemberg und die Räumung Ostgaliziens. 
Stimmung zurück gegenüber dem Eindruck, daß das eigene Heer in seiner 
Kampfkraft aufs schwerste gelitten habe. Ohne deutsche Hilfe hielt man es 
für nicht einmal mehr zu reiner Abwehr befähigt. 
Bei solchem Ergebnis der Anfangsoffensive drängt sich dem rück¬ 
schauenden Betrachter die Frage aus, ob diese Offensive überhaupt 
berechtigt war, ob nicht größere Zurückhaltung, vielleicht Abwehr in 
den Karpathen und am San vorteilhafter gewesen wäre. 
Der Entschluß zum Angriff zwischen Bug und Weichsel war der über¬ 
einstimmenden Auffassung des deutschen und des österreichisch-ungarischen 
Generalstabschefs entsprungen und im Frieden reiflich überlegt. Er war 
nach der Lage bei Kriegsanfang vom deutschen wie vom österreichisch¬ 
ungarischen Standpunkte aus durchaus berechtigt, um die Versammlung 
der russischen Massen zu stören und ihrem Angriff zuvorzukommen, selbst 
dann, wenn man im Osten, wie es deutscherseits doch beabsichtigt war, 
im großen zunächst in der Abwehr bleiben wollte. Auch das Zahlenver- 
hältnis war nach den beiderseitigen Ausmarschplänen für Österreich- 
Ungarn anfangs keineswegs ungünstig und sprach somit für die Offensive. 
Allerdings hatte sich die Kriegslage bis zum Beginn der Operationen 
anders gestaltet, als man vorausgesetzt hatte. Wohl ist die schon während 
der Ereignisse ausgestellte und seitdem immer wiederholte Behauptung 
falsch, daß die Russen früher und stärker, als im Frieden errechnet, bereit 
gewesen seien. Aber die russischen Armeen sind aus Frankreichs Drängen 
vor beendeter Versammlung zum Angriff übergegangen, während auf 
österreichisch-ungarischer Seite, vielleicht schon durch die Zurücklegung des 
Aufmarsches, sicher aber durch den vorausgehenden Aufmarsch der 2. Armee 
gegen Serbien, kostbare Zeit verloren wurde. Auch hatte man sich 
nicht entschließen können, gegen Rußland die planmäßig vorgesehene Zahl 
von Divisionen voll einzusetzen, und hatte von der verminderten Zahl die 
letzten auch noch bis Ende August an der serbischen Front festgehalten. Unter 
diesen Umständen in letzter Stunde in die Abwehr zu fallen, war schwierig. 
Weder die Ausbildung des Heeres, noch die Erziehung seiner Führer 
waren daraus eingestellt, die weiten Räume des galizischen Kriegsschau¬ 
platzes im Frieden in keiner Weise dafür vorbereitet. 
Auch in seiner Wirkung aus die Gesamtlage wäre ein solcher Wechsel 
im Entschluß verhängnisvoll geworden : Die Abwehr hätte höchstens vor¬ 
übergehend geholfen, auf die Dauer nicht. Der russische Druck aus die 
deutsche Front wäre wesentlich gesteigert, der Sieg an den Masurischen 
Seen wohl unmöglich gemacht, die deutsche Ostfront vielleicht trotz Tannen¬ 
berg in die Verteidigung gedrängt worden. Es hätte sich im Osten aller 
Wahrscheinlichkeit nach eine Gesamtlage ergeben, aus der man sich ange-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.