Volltext: Die Befreiung Ostpreußens (2. 1925)

21./22. August. — Der Entschluß zum Wechsel im Oberkommando. 
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Abendmeldung des Oberkommandos die von der Obersten Heeresleitung 
empfohlene Angriffsrichtung gegen den Ostflügel der Narew-Armee 
nochmals ausdrücklich ablehnte, von einer sonstigen Angrisssabsicht aber 
nichts erwähnte. Schließlich wurde noch bekannt, daß das Oberkom¬ 
mando abends von Bartenstein nach Mühlhausen (östlich Elbing) abge¬ 
fahren sei und, wie der zurückgelassene Offizier meldete, einen Tag 
später nach Dirschau weiter wolle. Die Etappen-Inspektion sollte von 
dort nach Konitz zurückverlegt werden. Nach alledem hatte die Oberste 
Heeresleitung keinerlei Zweifel mehr darüber, daß Generaloberst v. Pritt- 
witz seine Armee hinter die Weichsel zurückführen wolle. 
Generaloberst v. Moltke hatte aber, um sich Klarheit über die Gesamt¬ 
lage zu verschaffen, auch noch beim XX. Armeekorps anfragen lassen, 
das über den Vormarsch der Narew-Armee am besten unterrichtet sein 
mußte. Das Korps meldete am 21. August abends sehr zuversichtlich, es 
erwarte den russischen Angriff in einer Stellung beiderseits Gilgenburg 
erst in zwei bis drei Tagen und hoffe aus dieser Stellung sogar zum Angriff 
übergehen zu können. Auch schätzte es den Gegner nur auf 2 bis 2% Korps, 
also schwächer, als das Oberkommando es getan hatte. Dessen Befürch¬ 
tungen erschienen danach doch nicht gerechtfertigt. 
Trotzdem war es für den Chef des Generalstabes des Feldheeres 
kein leichter Entschluß, seinem Obersten Kriegsherrn die Neubesetzung 
des Oberkommandos im Osten vorzuschlagen. Es war der erste derartige 
Fall. Die Oberste Heeresleitung konnte die Lage auf dem weit entfernten 
Kriegsschauplatz bei den mangelhaften Fernsprechverbindungen damals 
noch nicht so übersehen, wie das in späteren Jahren bei zuverlässigerer 
Nachrichtenverbindung meist möglich war. Auch die Auswahl der geeig¬ 
neten Männer für die selbständige Stellung und die ungewöhnlich schwie¬ 
rige Lage im Osten war nicht einfach. Generaloberst v. Moltke schlug als 
Oberbefehlshaber den General der Infanterie z. D. v. Beneckendorsf u. 
v. Hindenburg vor mit Generalmajor Ludendorff als Chef des General¬ 
stabes. Am 22. August mittags vollzog der Kaiser ihre Ernennung; am 
Abend dieses Tages wurde sie dem Oberkommando der 8. Armee in 
Mühlhausen bekannt. 
Dort hatte sich die Hoffnung aus günstigere Entwicklung der 
Lage inzwischen weiter gefestigt: Am 21. August abends war noch in 
Vartenstein, während des Ferngesprächs, das Generaloberst v. Prittwitz 
führte, die Meldung angekommen, daß die 1. Kavallerie-Division sich 
wieder herangesunden habe. Sie hatte der Rückzugsbefehl am Abend 
der Gumbinner Schlacht nicht erreicht. Als sie tags daraus wieder An-
	        
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