Volltext: Die Befreiung Ostpreußens (2. 1925)

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Die Abberufung des Generalobersten v. Prittwitz. 
Im Armee-Hauptquartier Bartenstein waren inzwischen weiter 
günstige Nachrichten eingegangen. Die Narew-Armee war im Lause des 
Tages mit ihrem Westslügel gar nicht, mit dem Ostflügel nur wenig weiter 
vorgerückt, die Njemen-Armee erst nachmittags, und auch dann nur mit 
Vortruppen langsam gefolgt. Sie mußte nach Meldungen der deutschen 
Truppen stark gelitten haben. So hatten die Korps der 8. Armee einen guten 
Tagemarsch Abstand vom Gegner gewinnen können. Die Lage hatte sich 
wesentlich günstiger gestaltet, als man noch am Abend vorher zu hoffen 
gewagt hatte. 
Der vom Generalleutnant v. Stein vorgeschlagene Angriff auf den 
Ostflügel der Narew-Armee schien allerdings auch unter diesen günsti¬ 
geren Verhältnissen nicht ausführbar. Der Abstand von der Armee 
Rennenkampf war dazu zu gering. Wohl aber waren sich Generalmajor 
Gras Waldersee und sein erster Generalstabsosfizier, Oberstleutnant 
Hoffmann, nunmehr darüber einig, „die Armee in Westpreußen 
nach dem rechten Flügel zu vereinigen, um gegen den linken 
Flügel der Narew-Armee vorzugehen". Dazu sollten das I. Armee¬ 
korps nach Goßlershausen (30 km östlich Graudenz), die 3. Reserve-Division 
und 6. Landwehr-Brigade nach Deutsch-Eylau gefahren werden, die 
anderen Korps den Marsch nach Westen fortsetzen. 
Unmittelbar bevor diese Absichten dem Oberbefehlshaber vorgetragen 
wurden, war aber Generaloberst v. Prittwitz von der Obersten Heeres¬ 
leitung persönlich an den Fernsprecher gerufen worden, wo er zunächst 
mit Generalleutnant v. Stein, dann mit Generaloberst v. Moltke selbst 
sprach. Er erwähnte bei diesem Gespräch keinerlei Angrisssabsichten, 
schilderte die Lage vielmehr äußerst düster, vielleicht um seinem gleich¬ 
zeitig vorgebrachten Antrag aus Verstärkungen mehr Nachdruck zu ver¬ 
leihen. Generaloberst v. Moltke sagte schließlich (nach seinen 5Tage später 
niedergeschriebenen Aufzeichnungen): „Wenn Sie zurückgehen müssen, 
so bleibt als Ihre weitere Aufgabe unbedingt das Halten der Weichsel- 
Linie bestehen." Aber auch das habe der Armeeführer nicht fest zusagen 
können: „Wie soll ich mit der Handvoll Truppen die Weichsel halten, 
sie kann ja überall durchwatet werden." 
Diese Aussprache ließ beim Chef des Generalstabes des Feld¬ 
heeres den Entschluß reisen, im Oberkommando der 8. Armee einen 
Wechsel eintreten zu lassen. Generaloberst v. Moltke hatte den Eindruck, daß 
es in seiner jetzigen Zusammensetzung der außergewöhnlich schwierigen 
Lage, die die gewaltige russische Übermacht im Osten mit sich brachte, doch 
nicht gewachsen sei. Er wurde in dieser Auffassung bestärkt, als auch die
	        
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