20. August. — Der Kampf des I. Reservekorps und die 3. Reserve-Division. 95
Die russische 30. Infanterie-Division vom IV. Korps war am
20. August früh in zwei Kolonnen von Goldap aus Kleszowen und
Gawaiten angetreten. Der russische Vormarsch traf das Ende und den
Anfang der zwischen diesen beiden Orten rastenden, 11 km langen Marsch¬
kolonne der deutschen 1. Reserve-Division in der Flanke. Der Divi¬
sionskommandeur, Generalleutnant v. Förster, der sich westlich Gawaiten
befand, konnte nur die Vorhut anweisen, diesen Ort zu halten. Gleich¬
zeitig traten die übrigen Truppen seiner Division bei Kleszowen selbständig,
wo sie gerade waren, in den Kampf. Sie brachten das russische Vorgehen
sofort zum Stehen, gingen dann aus eigenem Entschluß ihrerseits zum
Angriff über und drängten den Gegner im Laufe des Tages nach und
nach um einige Kilometer zurück. Generalleutnant v. Förster wurde
verwundet, konnte aber das Kommando über seine Division beibehalten.
Inzwischen hatte Generalmajor Kruge seine 36. Reserve-Division
sofort aus Gawaiten angesetzt. Auch hier wurde der Russe, der mittags
von Osten aus der Romintenschen Heide Verstärkung durch das dorthin
abgezweigte Regiment seiner 40. Infanterie-Division erhielt, in hartem
Ringen zurückgedrückt. Am Abend stand das I. Reservekorps, nach vor¬
übergehenden Rückschlägen, in zwei völlig getrennten Gruppen auf dem
erkämpften Boden südlich Kleszowen und östlich Gawaiten. Eine einheit¬
liche Gefechtsführung durch das Generalkommando war kaum möglich
gewesen. Unterführer und Truppen des Reservekorps hatten sich in diesem
ersten Gefecht in schwieriger Lage durch selbständiges Handeln bewährt
und ausgezeichnet. Das Korps fühlte sich als Sieger.
Rur drei Stunden vom Schlachtfelds entfernt, hatte die 3. Reserve-
Division seit 10° vormittags bei Benkheim gestanden. Das Armee-
Oberkommando gab diese letzte Reserve erst aus der Hand, als General¬
leutnant v. Below nachmittags meldete, daß sein ganzes Korps gegen
starken Feind im Kampfe stehe. Um 420 erteilte Generaloberst v. Prittwitz
dem Divisions-Kommandeur Generalleutnantx) v. Morgen am Fernsprecher
persönlich den Befehl, in den Rücken der bei Kleszowen kämpfenden
Russen vorzugehen. Er fügte aber eine Mahnung zur Vorsicht hinzu:
„Mir liegt daran, die Division möglichst ungeschwächt aus diesem Kampfe
herausgehen zu lassen, um sie für andere Aufgaben zur Hand zu haben."
General v. Morgen trat sofort an; es wurde dunkel, bevor er an den
Feind kam. So ging die Division, bereit zum Stoß in die feindliche
Flanke, mit dem rechten Flügel nahe dem Goldap-Fluß, südlich Kleszowen
zur Ruhe über, um bei Tagesanbruch überraschend vorzubrechen.
*) Inzwischen befördert.