3. Teil, Nr. 36
wird dort z. B. als „neue Festung‘ bezeichnet, während es tatsäch-
lich ehemals eine gute Festung war, die 1806 und 1807, durch
Courbiere befehligt, gegen Napoleon mit einer kleinen Zahl anderer
Festungen trefflich. standhielt. Aber die alte Festung Graudenz ist
vor mehr als 20. Jahren aufgegeben und geschleift worden,
und niemand hat daran gedacht, dort neue Werke anzulegen. Diese
Tatsache kann Ihrem Kriegsminister und seinem amtlichen Blatte
nicht unbekannt sein.
Erst infolge der beträchtlichen russischen Truppenanhäufungen
seit dem Ende des letzten Türkenkrieges in Ihren uns benachbarten
Provinzen sind wenig beträchtliche Verstärkungen deutscherseits an
die Grenze geschoben worden. Diese Verschiebungen haben erst
1883 begonnen und sich in kleinem Maßstabe gehalten, trotz der
Drohungen mit Krieg und französischer Allianz, die offiziöse Zei-
tungen und hochgestellte Persönlichkeiten in Rußland öffentlich
gegen uns ausgestoßen haben, und trotz der jüngsten Verstärkungen,
die fortfahren, die Zahl der in der Nähe unserer Grenze gestaffelten
russischen Truppen zu vermehren. Das Vertrauen in die Dauer des
Friedens, das mir das Fehlen eines jeden Grundes zum Kriege ein-
flößt, ist durch diese Zwischenfälle nicht erschüttert worden,. und
kein feindlicher Plan gegen Rußland könnte bei mir aufkommen.
Alle meine Gedanken sind auf den Frieden gerichtet, nicht nur
wegen meines Alters, sondern auch wegen der Wirkung, die auf
mich das Bewußtsein der Pflichten ausübt, die ich gegenüber meinen
Untertanen habe, und ebenso die Gefühle, die mir das Herannahen
des Augenblickes einflößt, wo ich vor Gott über die Art Rechen-
schaft abzulegen haben werde, mit der ich diese Pflichten erfüllt
habe, die Seine Vorsehung mir auferlegt hat.
Ich habe die Überzeugung, daß Sie denken wie ich, und daß
wir in der Lage sein werden, unsere Völker gegen die Geißel eines
Krieges zu schützen, dessen Ergebnisse, wie sein Ausgang auch sei,
nur den Feinden aller Monarchien in Europa zugute kommen wür-
den. Ich hoffe, die Zukunft wird diese Überzeugung rechtfertigen,
die mir teuer ist, und ich rufe auf Sie und die Ihrigen, besonders auf
die Kaiserin, für das neue kommende Jahr den Segen Gottes herab.
Ich bin sicher, daß Sie es gern entschuldigen werden, wenn ich
mich wegen der Schwierigkeiten, die der Gebrauch der Feder in
meinem Alter bietet, der Hand meines Enkels Wilhelm bedient habe.
Für das Leben Ihr ganz ergebener und sehr zugeneigter Bruder
und Großonkel
Wilhelm
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