3. Teil, Nr. 35
es ganz augenscheinlich zur Sprache kommen, daß die eine Lebens-
frage für uns in diesen acht Punkten noch gar nicht einmal an-
gedeutet war — nämlich die voraussichtliche Haltung Deutschlands,
Wenn Österreich auf. die deutsche Unterstützung in einem solchen
Kampfe zählen könnte, so würde es die in den acht Punkten an-
gedeutete Politik, der England beizutreten gebeten worden ist, aus-
zuführen vermögen. In jedem anderen Falle würde England da-
durch, daß es beitritt, sich selbst einer Politik ausliefern, die zum
Scheitern verurteilt ist. Wir müßten uns dann selbst fragen, welchen
Grund wir hätten, anzunehmen, daß Deütschland, in einen ernsten
Kampf mit Frankreich. verwickelt, nicht eine neutrale‘ oder wenig-
stens Rußland günstige Haltung einnehmen würde. Gerade jetzt
kamen die Nachrichten, daß die Nachfolge eines Prinzen auf dem
deutschen Thron, den man. für viel russenfreundlicher und england-
feindlicher hält als den gegenwärtigen Thronerben, ein Umstand sei,
der früher eintreten könnte, als man erwartete. . |
Eure Durchlauchtige Hoheit haben meine Befürchtungen durch
den großen Freimut beseitigt, mit dem Sie mir die wahre Lage aus-
einandergesetzt haben. Sie haben. mir zunächst erlaubt, den zwischen
Österreich und Deutschland bestehenden Vertrag so zu sehen, daß
unter keinen Umständen die Existenz Österreichs durch einen Wider-
stand gegen unberechtigte russische Unternehmungen gefährdet wer-
den kann. Sodann haben Sie Sir Edward Malet von seiten des Kai-
sers seine moralische Billigung eines jeden Abkommens mitgeteilt,
das zwischen, Österreich, Italien und England auf den drei uns mit-
geteilten Grundlagen . zustandekommen könnte; und drittens haben
Sie. mir überzeugend auseinandergesetzt, daß die Haltung Deutsch-
lands durch die Erwägungen nationalen Interesses bestimmt werden
müsse, zu denen sich die Nation im großen bekennt, und nicht nach
den persönlichen Vorurteilen des regierenden Souveräns.
Ich glaube, daß das Einvernehmen, in das England und die
anderen beiden Mächte. gerade eben eintreten wollen, mit seiner er-
klärten Politik vollkommen übereinstimmt und von ihm loyal be-
achtet werden wird. Die Staatengruppierung, die das Werk ‚des
letzten Jahres gewesen ist, wird ein wirksames. Hindernis gegenüber
jedem möglichen Angriffe Rußlands sein, und deren Schaffung wird
nicht zu den geringsten Diensten gehören, die Eure Durchlauchtige
Hoheit der Sache des europäischen Friedens erwiesen haben.
Ich habe die Ehre zu sein
Eurer Durchlauchtigen Hoheit
gehorsamer und untertäniger Diener
Salisbury
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