Kräftemangel bei der Armee Boroevic
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Aber auch die Kräfteverhältnisse hatten sich am Isonzo sehr zu
Ungunsten der Armee Boroevic verschoben. Die während der letzten
Schlacht aus der Front gezogene 20. HID. kam für einen neuerlichen
Einsatz in nächster Zeit nicht mehr in Betracht. Seit ihrem Einlangen
am Isonzo im Juni 1915 immer wieder schwersten Verlusten ausgesetzt,
in fast jeder Schlacht an Hauptbrennpunkten des erbitterten Ringens
kämpfend, war sie nunmehr völlig erschöpft. Nur monatelange Erho¬
lung, Auffüllung und Schulung mochte die 20. HID. mit der Zeit wie¬
der zu einem vollwertigen Heereskörper machen.
An ihrer Stelle trat die 44. SchD. in den Verband des VII. Korps
und übernahm den Südabschnitt, während die 28. ID., deren Zusammen¬
setzung einschneidende Änderungen erfuhr (Beilage 31), den Frontteil
zwischen der Wippach und dem Höhenrand nördlich von Lokvica be¬
setzte. So konnte nunmehr auch die in den vorhergehenden Schlachten
stark in Mitleidenschaft gezogene 17. ID. in Ruhequartiere verlegt wer¬
den. Bei der Gruppe Schenk ermöglichte der Einsatz der eben eingelang¬
ten 10. ID. die Zurücknahme besonders stark hergenommener Truppen.
Trotz dieser Ablösungen war das öst.-ung. 5.Armeekmdo. sehr im
Zweifel, ob die Isonzofront noch weiterhin der Zermürbungstaktik der
Italiener, die sichtlich der Kampfweise der Franzosen und Engländer
entlehnt war, gewachsen sein werde. In einem am 16. Oktober der Hee¬
resleitung vorgelegten Berichte führte GO. Boroevic aus, daß sich seine
Armee in einer Krise befinde, da die regelmäßig zur Einreihung gelan¬
genden Marschformationen wohl die im Stellungskriege eintretenden
Verluste, erfahrungsgemäß an 2000 Mann im Monat bei jeder Front¬
division im Karstabschnitt, ausgleichen, keinesfalls aber die Schlacht¬
einbußen, die seit Mitte August auf 100.000 Mann angestiegen waren,
ersetzen könnten. So waren zur Behauptung des Raumes von der Wip¬
pach bis zum Lisert, die im August 41/2 Divisionen erfordert hatte, bei
den geschwächten Ständen zur Zeit der achten Schlacht bereits 8 Divi¬
sionen nötig1). Um die Abwehr mit Erfolg fortsetzen zu können, waren
nach Meinung des 5. Armeekmdos. nicht nur namhafte Verstärkungen
an frischen, vollwertigen Kampftruppen, sondern auch eine erhöhte Zahl
einreihungsfähiger Marschformationen nötig. Weiters wurden Artillerie¬
verstärkungen, reichliche Zuweisung von Schießbedarf und beschleunig-
1) Im Frontabschnitt von der Wippach bis zum Meer befanden sich während
der sechsten Schlacht 44.700 Frontfeuergewehre, 16.800 solche der Marschformatio¬
nen; im Oktober zählte die fast verdoppelte Zahl der hier stehenden Heereskörper
49.700 Feuêrgewehre der Front, 5500 der Marschformationen.