Volltext: Die Ereignisse von August bis zur Jahreswende ; 5 : Das Kriegsjahr 1916 ; 2 ; [Textbd.] ; (5 : Das Kriegsjahr 1916 ; 2 ; [Textbd.] ;)

Der politische Kurs in Österreich und in Ungarn 
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scharfer Zensur- und Polizeimaßnahmen; zahlreiche Ausnahmsverfügun¬ 
gen beengten die staatsbürgerlichen Rechte. Dieser Kurs blieb selbst in 
konservativen Kreisen nicht unbekrittelt. Aber Stürgkh verhielt sich 
gegen alle Vorschläge zur Wiederbelebung der parlamentarischen Arbeit 
dauernd ablehnend1). Er wurde wegen dieses Verhaltens am 21. Oktober 
1916 durch den radikalen Sozialisten Friedrich Adler, einen Sohn des So¬ 
zialistenführers Dr. Viktor Adler, in einer Wiener Gaststätte erschossen. 
Ungarn wußte sich gegenüber dem absolutistisch regierten Öster¬ 
reich das Bild eines einheitlichen, von einem starken Nationalbewußtsein 
getragenen, streng parlamentarisch verwalteten Staates zu geben. Aller¬ 
dings bot die Volksvertretung weder sozial noch national ein richtiges 
Abbild der im Lande herrschenden Kräfteverhältnisse. Aber die ge¬ 
schickte Taktik des Ministerpräsidenten Tisza und sein fanatischer Glaube 
an die Sendung seiner Nation sowie der Einfluß seiner starken Persön¬ 
lichkeit auf den Kaiser und auf die Außenpolitik des Reiches täuschten 
zusammen mit dem wohl abgewogenen Spiel zwischen Mehrheit und 
Opposition über jene Mängel hinweg und verschafften Ungarn ein be¬ 
trächtliches Übergewicht über den Schwesterstaat Österreich. Dieses Über¬ 
gewicht wurde noch gestärkt durch die wirtschaftliche Lage Ungarns, das 
sich gleich nach Kriegsausbruch, entgegen allen Verträgen, von Öster¬ 
reich abschloß und im Jahre 1916 vergleichsweise noch im Überfluß 
lebte, indes die österreichischen Gebirgs- und Industriegegenden schon 
empfindlich darbten. 
Bei der überragenden Stellung Ungarns und der Altersbeharrlich¬ 
keit des Kaisers und Königs Franz Joseph war schon im Frieden an eine 
Abänderung der den „Nationalitäten" so verhaßten dualistischen Staats¬ 
form nicht mehr zu denken gewesen. Daran änderte sich auch nichts, 
als die im Kriege auftauchenden Gebietsfragen das Thema neuerlich zur 
Erörterung stellten. So widersetzte sich Tisza von Anfang an den zumal 
seit der Niederwerfung Serbiens und Montenegros wieder häufiger auf¬ 
geworfenen und durch Conrad warm vertretenen Vorschlägen, das süd¬ 
slawische Problem, an dem sich der Krieg entzündet hatte, nun endlich 
dadurch zu lösen, daß man die Serben, Kroaten und Slowenen im Rah¬ 
men des Habsburgerreiches zu einem dritten, Österreich und Ungarn 
gleichgestellten Staate zusammenfasse. Nach Tiszas Auffassung hatte 
sich die Monarchie mit der Gewinnung des Lovcen und einiger Brücken¬ 
köpfe südlich der Save und Donau zu begnügen, indes sich Bulgarien 
in Ostserbien und Mazedonien nach Belieben schadlos halten mochte. 
1) Glaise-Horstenau, Katastrophe, 66 ff.
	        
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