Volltext: Die Ereignisse von August bis zur Jahreswende ; 5 : Das Kriegsjahr 1916 ; 2 ; [Textbd.] ; (5 : Das Kriegsjahr 1916 ; 2 ; [Textbd.] ;)

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Die Weltlage im Sommer 1916 
dem Kaiser, was des Kaisers war. Aber darüber hinaus befaßte die sla¬ 
wischen und auch die romanischen Volksteile bis in die Massen, hinein 
doch die Frage: Was mag der Sieg der Mittelmächte bringen? Immer 
wieder zeichneten sich vom Horizonte die gleichen Bilder ab: Verewigung 
der verhaßten dualistischen Staatsform, der Vorherrschaft der Magyaren 
in Ungarn, der deutschen Führerschaft diesseits der Leitha; Schaffang 
eines „Mitteleuropas", wie es von Naumann und Friedjung angepriesen 
wurde oder gar eines von Hamburg bis Bagdad reichenden Imperiums 
unter preußisch-deutscher Hegemonie! Aussichten solcher Art konnten 
die Deutschösterreicher begeistern, die in ihrer Verwirklichung eine 
andere Erfüllung ihrer 1848 er Hoffnungen erblicken mochten, eine Gut¬ 
machung des nationalen Unglücks von 1866. Sie machten aber selbst die 
maßvollsten Vertreter der „Nationalitäten" nachdenklich. Die Entente¬ 
propaganda hatte leichtes Spiel. Sie wurde wirksamst unterstützt von 
den Emigrantenkolonien, deren geistiger Führer schon Ende 1915 unbe¬ 
stritten der Tscheche Masaryk geworden war. 
Über die Einwirkung dieser Strömungen auf die Wehrmacht und 
das Bemühen der Heeresleitung, ihnen im Bereiche der Armee beizu¬ 
kommen, soll in anderem Zusammenhange gesprochen werden. Die Aus¬ 
dehnung der Militärgerichtsbarkeit auf gewisse, in der Heimat begangene 
Delikte (Bd. II, S. 29) bot auch die Möglichkeit, verschiedene Militär¬ 
prozesse gegen ruthenische, südslawische und tschechische Politiker ab¬ 
zuführen. Am meisten machte von sich das Verfahren gegen den tsche¬ 
chischen Politiker Kramar reden, der im Sommer 1915 auf Verlangen 
der Heeresleitung verhaftet und, nachdem mehrere frühere Minister zu 
seinen Gunsten ausgesagt hatten, im Juni 1916 zum Tode verurteilt, 
jedoch zunächst zu 15 Jahren Kerker begnadigt wurde. 
In den 1915 zum erstenmal amtlich „Österreich"1) genannten, „im 
Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern" hatte mit Kriegs¬ 
beginn das politische Leben so gut wie aufgehört. Der Ministerpräsident 
Graf Stürgkh hatte im August 1914 aus Sorge vor kriegsfeindlichen 
Kundgebungen das Parlament nicht einberufen und seither mit dem der 
Regierung außerordentliche Vollmachten gewährenden Paragraph 14 der 
Verfassung regiert. Die öffentliche Meinung stand unter dem Drucke 
!) Die Bezeichnung „Österreich" kommt in der Kaiserlichen Verordnung vom 
11. Oktober 1915 zum erstenmal vor, in der auf Betreiben des ungar. Ministerpräsi¬ 
denten Gf. Tisza für die gemeinsamen Einrichtungen an Stelle des bisher üblichen 
Doppeladlers ein Doppelwappen eingeführt wurde. GO. Freih. v. Conrad hatte sich 
gegen diese Änderung schärfstens ausgesprochen.
	        
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