Volltext: Die Architekturzeichnungen der Kupferstichsammlung der Österr. Nationalbibliothek [19]

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vermittelt — die malerische Perspektive spielt in der Werkstatt eine ganz 
untergeordnete Rolle und dient meist nur dazu, dem Bauherrn die Vor¬ 
stellung zu erleichtern — sondern wird in ihrer Einheit gespalten und in zwei 
gesonderte Bilder, in Grund- und Aufriß, zerlegt, die beide an sich keine 
unmittelbare räumliche Anschaulichkeit besitzen, für sich allein unvollständig 
sind und erst in ihrer verstandesmäßigen Verknüpfung die Rauinvorstellung 
neu erwecken. And doch ist wiederum die Architekturzeichnung mehr als 
die Notenschrift des Komponisten. Die geometrische Formfixierung ist 
nicht ein willkürliches Zeichen, sondern eine gesetzmäßige Abstraktion, in 
der doch der Gesühlsinhalt der Form seinem Wesen nach erhalten bleibt. 
Diese innere formale Ähnlichkeit zwischen dem zweidimensionalen Plan¬ 
bild und dem dreidimensionalen Architekturwerk bedingt auch gleichgerichtete 
Cinfühlungstendenzen bei beiden. Darin ist die suggestive Zllusionswirkung 
gelegen, die selbst das dürre Gerippe einer Grundrißdarstellung auf das 
geschulte Auge ausübt. Aber diese Zllusionswirkung ist von der des maleri¬ 
schen Bildes — auch wenn wir dieses nicht als bloße Reproduktion desNetz- 
hautbildes auffassen — grundsätzlich verschieden. Wir dürfen nie vergessen, 
daß bei der Architekturzdichnung immer ein Denkprozeß eingeschaltet ist, 
durch den erst aus der Phantasietätigkeit des Betrachters die Raumvor¬ 
stellung neu geschaffen wird. Gerade in dieser selbständigen geistigen Betäti¬ 
gung des Betrachters ist aber der besondere Reiz der Architekturzeichnung 
gelegen, der dem der Skizze in dieser Pinsicht verwandt ist. In der grund¬ 
sätzlich verschiedenen Art der Raumdarstellung liegt aber auch der weit 
umfassendere Vorstellungsinhalt des Planbildes gegenüber dem maleri¬ 
schen Bild. Vermag uns das malerische Bild nur einen bestimmten Raum¬ 
ausschnitt zu bieten, so gibt die Plandarstellung den Raum in seiner 
Allseitigkeit, den Raumorganismus in seinem ganzen, bildmäßig unfa߬ 
baren Zellenaufbau. Gerade in der Befreiung der Raumvorstellung vom 
beschränkten optischen Bild liegt die Möglichkeit ihrer freien Entfaltung. 
Darum sagt auch dem Fachmann ein Plan so viel mehr als die schönste 
malerische Vedute oder die beste Photographie. 
So sehen wir eine doppelte Bedeutung in der Architekturzeichnung 
gelegen. Einerseits ist sie ein rein konventionelles Mittel, eine Raum¬ 
vorstellung eindeutig festzulegen und diese damit den ausführenden Äand- 
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