Volltext: Tagebücher, Biographie und Briefwechsel des oberösterreichischen Bauernphilosophen. Zweither Teil: Aus Konrad Deubler's Briefwechsel (1848-1884). (2)

Josef Winkler an Deubler. 
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hingeschlachtet; geschändet und gemartet wird vielfach. 40000 
Griechen haben sich bewaffnet und in verschiedenen Abtheilungen 
in den Bergen versammelt. Ihre Weiber und Kinder halten sich 
in Verstecken auf, andere sind auf die verschiedenen Inseln des 
Archipels geschickt worden — Alles ist wie ausgestorben; nur 
Türken sieht man noch etwa, mit Beute beladen oder nach solcher 
suchend. Sicher ist gar Niemand mehr: der Kapitän des fran— 
zösischen Kriegsdampfers, der da vor Anker liegt, wurde trotz der 
Nniform angefallen. Kurz, es giebt nur persönlichen Schutz, den 
man sich allenfalls mit dem Revolver verschafft. Es ist jetzt voll⸗ 
kommen Faustrecht hier: wer ein Haus haben will, der nimmt 
sich eben eins, da sie meistens leer stehen, wenn sie nicht etwa 
schon demolirt sind. Drei Gefechte fanden ganz in unserer Nähe 
statt; wir hörten Flinten und Kanonen krachen, sahen die Strei— 
tenden mit dem Operngucker und den Pulverdampf in den tief— 
blauen, sonst so freundlichen Himmel steigen. Es sind 45 000 
Mann syrischer, abessinischer und ägyptischer Truppen da; außer⸗ 
dem nimmt fast die ganze türkische Bevölkerung thätigen Antheil 
am Morden und Rauben. Bis jetzt ist der Sieg noch immer 
den Griechen geblieben, was uns sehr freut, da das arme, unter— 
drückte, nun revoltirende Volk viele gute Eigenschaften hat. 
In unserem Dorfe, das von Griechen fast ganz geräumt ist 
und nun von Türken wimmelt, ist's bis dato noch ziemlich ruhig 
geblieben, da einige halbvernünftige Türken da wohnen; doch wur⸗ 
den alle verlassenen Anwesen von Türken in Besitz genommen und 
nur um mein Haus herum — Du weißt, daß ich ein eigenes 
bewohne — sind noch vier griechische Familien, die sich theilweise 
so unter meinem Schutz noch zu bleiben getrauten, da die Türken 
mich zum Theil respektiren und grüßend achten, zum Theil fürchten. 
Es hat bis jetzt keiner gewagt, mir zu nahe zu kommen, trotzdem 
ich alle Tage bei finsterer Nacht erst nach Hause komme. 
Gleich neben mir — nur eine Wand trennt mich davon — 
ist ein Harem eingezogen, dessen Bewohnerinnen sehr hübsche 
Wesen sind. Ich habe sie bereits mehrmals in Angst und Schrecken 
gesetzt, da sie heimlich in meinem Hofe Wasser holen, wobei ich 
manchmal — ein wenig unerwartet — auch eines hole. In sol⸗
	        
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