Volltext: Tagebücher, Biographie und Briefwechsel des oberösterreichischen Bauernphilosophen. Zweither Teil: Aus Konrad Deubler's Briefwechsel (1848-1884). (2)

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Deubler und J. C. Fischer. 
einziges Buch; denn ich bin weder Gelehrter, noch Schriftsteller; 
meine Tageszeit gehört meinem Berufe und meinen Gedanken kann 
ich nur die seltenen Mußestunden widmen, die mir der Abend und 
der frühe Morgen läßt. Auch können solche Bücher ihrer Natur 
nach eben nicht schnell entstehen. — 
Deubler. 
V 30. Januar 1872. 
Lieber guter Freund Fischer! 
Wie oft habe ich mir vorgenommen, Dir Deinen Brief zu 
beantworten; aber immer hielt mich eine gewisse Scheu zurüuͤck; 
denn ich kenne die große Mangelhaftigkeit meiner Schreibart und 
meine Geistesarmuth nur zu gut. Und nun vollends einem Manne 
gegenüber, der auf der höchsten Spitze wissenschaftlicher Bildung 
steht — — — — — dem ssine Überzeugung mehr gilt, als 
Orden und Würden, der seine Riesenkraft und sein Wissen dafür 
einsetzt, daß der Mensch nicht mehr außer und über sich den Be— 
stimmungsgrund seines Handelns, das Ziel seines Denkens, die 
Hilfe von seinen Ubeln und Leiden suche und finde, daß er nicht 
mehr über dem Glauben an ein besseres Leben (im „Jenseits“) die 
Besserung seines Lebens („Diesseits“), über dem Gottesglauben 
den Glauben an die Menschenkraft vergesse; damit die Menschen 
einmal zur Einsicht gelangen, daß der einzige Teufel der rohe, 
abergläubische, selbstsüchtige Mensch ist — — — Ohne diejenige 
Jugenderziehung, welche auf Grundlage der neuern Naturwissen— 
schaften in den umgestalteten Unterrichts-Anstalten zu begründen 
ist, sind alle politischen und gesellschaftlichen Reformen eitel, durch— 
aus umsonst und nichtig. Eine neue Zeit (wie sie durch das Auf— 
blühen der Naturwissenschaften über uns gekommen ist) bedarf 
auch einer neuen Anschauung und Überzeugung in den Fragen der 
menschlichen Existenz. Der Mensch soll wissen, daß es jenseits des 
Grabes Nichts mehr giebt, duß der persönliche Gott eine veraltete 
Anschauung ist — — dann erst wird er bestrebt sein, seinen Platz 
hier auf Erden (richtig) auszufüllen. 
— — Schon seit zwei Jahren quäle ich Ernst Keil in 
Leipzig um die Aufnahme Feuerbach's in seine Galerie der be—
	        
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