Der Freidenker in der Sterbestunde. 275
machen. „Ich muß noch Alles in Ordnung bringen!“ Am
Samstag 29. März ging er zum letzten Mal vom Primesberg
hinunter ins Dorf: zur Post, zur „Wartburg“ und zu seinem
intimen Freund Steinbrecher, der ihn hernach heimbegleitete,
wobei Deubler klagte, daß seine Füße angeschwollen und so
bleischwer seien. Trotzdem begleitete er seinen Freund wieder
zurück ins Dorf; dann mußte ihn seine treue Nandl auf dem
letzten Gang zum Primesberg abholen. An diesem Tag ging
auch seine Zunge nur sehr schwer; er vermochte auch nichts mehr
zu sich zu nehmen, obschon er noch ein Huhn tödtete, um sich
an einem guten Bissen nochmals aufzufrischen.
Am Sonntag den 30. März ließ er seinen Freunden im
Dorfe sagen, daß er nicht mehr hinunterkommen könne; sie
möchten ihn droben im Primesberg besuchen, was auch am
Nachmittag geschah. Wohl trieb sich der todmüde Mann noch
im Haus herum, aber mit dem Schreiben und Lesen war's zu
Ende. Mit seinen drei vertrautesten Freunden besprach er noch seine
letzten Willensverfügungen und traf die allerletzten Anordnungen.
Ein Glas Wasser mit wenig Tropfen Wein, was er am Sonn—
tag Abend noch zu sich nahm, gestattete ihm, seine letzte Pfeife
Tabak zu rauchen. Als einer seiner Freunde ihm den Gedanken
nahe legte, daß es doch angezeigt wäre, die besten Freunde in
der Ferne von seiner Krankheit zu unterrichten, da meinte
Deubler, daß er vielleicht noch selbst an jene schreiben werde.
Dazu kam es dann freilich nicht. Deubler ging eben in den
letzten zwei Tagen noch unter seinen Freunden umher — „mit
dem Tod im Körper — nur sein fester Wille, sein klarer Geist
hat ihn noch herumgetrieben“. So äußerte sich der Arzt. Und
so war es auch. — Im Leibe hatten die rückschreitenden Processe,
die Vorgänge des Zerfalles die Oberhand gewonnen, indeß das
Bewußtsein noch aufrecht stand, klar und noch unbetroffen vom
Themismus der Zersetzung.
An diesem denkwürdigen Nachmittag, wenige Stunden vor
seinem Tode, erklärte er seinen drei anwesenden Freunden Stein—
brecher, Pilz und Putz:
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