Volltext: Tagebücher, Biographie und Briefwechsel des oberösterreichischen Bauernphilosophen. Erster Theil: Konrad Deubler's Lebens- und Entwicklungsgang. (1)

266 Die letzten Lebensjahre (1872 -1884). 
Moritz Berger, mit welchem Schriftsteller er seine letzte 
Korrespondenz einleitete — kennzeichnend für Deubler's Wesen, 
daß ein redlicher Versuch, die philosophischen Fragen in gemein— 
verständlicher Form dem Laien zu erörtern, ihn zum letzten 
Male in seinem Leben antrieb, einige begeisterte Worte an den 
Mann mit wissenschaftlicher Bildung zu richten; sowie das damals 
erschienene Buch von Max Nordau: „Die conventionellen 
Lügen der Kulturmenschheit“. Dieses Sündenregister sammt seinen 
Besserungsvorschlägen hat Deubler wie ein Evangelium voll bitterer 
Wahrheit und voll heilsamer Ausblicke zugleich begrüßt. Da 
schwelgte er nochmals im Hochgenusse anregender Lektüre, im 
Anblick unverhüllter, nur stellenweise maskirter Wahrheit, deren 
Anblick ihn nicht zurückschreckte, obwohl die Gebrechen der zeit— 
genössischen Kultur, fast wie Krebsschäden anzuschauen, bloßgelegt 
vor Augen lagen. 
Am 26. November gleichen Jahres feierte Deubler im 
Kreise der Seinen den Tag, an welchem sein „Siebenzigster 
Jahrgang in Angriff genommen“ wurde — seinen letzten Ge— 
burtstag, zu dem ihm von Nah und Fern Glückwünsche und 
sinnige Geschenke zugestellt wurden. Dieser Gedenktag war über— 
haupt und in mehrfacher Beziehung ein Markstein auf dem Lebens— 
wege unseres Helden: nicht nur der Jahrestag seiner Geburt, 
sondern auch der seiner Einkerkerung und Befreiung zugleich, und 
endlich fiel auf denselben auch der erste Schöpfungstag seines 
Primesberger Heims. „Der Geist Gottes schwebte über dem 
Primesberg“ pflegte er bei diesem Anlasse jeweilen zu sagen. 
In den gleichen Monat fiel das vierhundertjährige 
Luther-Jubiläum. Gegen diese Feier des Reformators 
hätte der Alte vom Primesberg wenig einzuwenden gewußt, 
wenn man sich nicht ernstlich bestrebt hätte, über dem Luther— 
Jubiläum den Fortschritt der Wissenschaft und wissenschaftlichen 
Kritik der letzten drei Jahrhunderte zu ignoriren. Ihm erschien 
das heutige Lutherthum wie eine im Strom erstarrte Lava, die 
erst oberflächlich zu fruchtbarer Erde verwittert und nur stellen— 
weise mit einer allmählich erstarkenden grünen Pflanzendecke be—
	        
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