Full text: Tagebücher, Biographie und Briefwechsel des oberösterreichischen Bauernphilosophen. Erster Theil: Konrad Deubler's Lebens- und Entwicklungsgang. (1)

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Kriminalisirung. 
punkt des orthodoxen Kirchenwesens betrachtet, hat das Papst— 
thum jene Schriften verdammt und als ketzerische Produkte der 
„irregehenden“ Vernunft auf den Index gesetzt. „Die Stunden 
der Andacht“ waren bis zum Jahr 1848 in ganz Osterreich 
verboten; wir werden in der Folge auch sehen, daß selbst Alexander 
von Humboldt als Feind der Kirche in üblem Rufe stand. 
Diese verbotenen Schriften waren Deubler's Lieblingsbücher. 
Er las sie und las sie immer wieder; er theilte sie auch seinen 
Freunden mit — er propagirte fleißig für religiöse Aufklärung 
und blieb in der politischen nicht zurück. Er abonnirte für 
seinen Lesezirkel auf die freisinnigsten Tagesblätter und ward 
in der Bewegung von 1848-49 lebhaft mit interessirt, zumal 
ihm aus Deutschland, der Schweiz und den größeren Städten 
Osterreich's Briefe von gelehrten Freunden zugingen, welche ihn 
fortwährend über die wachsende Bewegung auf dem Laufenden 
hielten. Von Malern und Naturforschern, jeweilen im Sommer 
seine besten Gesellschafter, empfing er sehr viel geistige Anregung 
und wissenschaftliche Belehrung*); er aß vom Baume der Er— 
kenntnis. 
Anno 1848 eilte er, wie er später selbst berichtet, nach Wien, 
um die Revolution mit anzusehen, kam aber alsbald — und 
zwar mit heiler Haut — wieder in sein Felsennest Hallstatt 
zurück. Als dann unser Freund im Früjahr 1849 von der Hall—⸗ 
stätter Mühle Abschied genommen und Bäcker und Wirth im 
Schenner'schen Gasthaus zu Goisern geworden, welches den kühnen 
Titel: „Die Wartburg“ führt, da befand sich der für Wahr— 
heit und Freiheit propagirende Gastwirth in seinem Element: 
sein Wirthshaus wird zum Mittelpunkt des geistigen Lebens, 
er wird zur Seele einer aufgeklärten Gesellschaft selbständig 
denkender Bürger, die sich um ihn versammeln, um zu lesen 
oder sich vorlesen zu lassen. Die Kirchen zu Goisern — die 
lutherische mehr als die katholische — wurden alsbald leerer 
und leerer. Das verdroß die geistlichen Herren, was ja recht 
H Vergl. im II. Theile die Briefe von Winkler, Kerner, u. A.
	        
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