Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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Unterredung des Grafen Berchtold mit dem italienischen 
Botschafter 
Tagesbericht Nr. 3787 W i e 11, den 4. August 1914 
Der italienische Botschafter ist am 3. August bei mir erschienen, 
um auftraggemäß auf Grund eines Zirkulartelegrammes zu erklären, 
daß die italienische Regierung beschlossen habe, in dem gegenwär¬ 
tigen Konflikt neutral zu bleiben. 
Ich habe dem Herzog von Avarna geantwortet, daß dies eine 
wenig freundschaftliche Haltung Italiens bedeute, eine Haltung, die 
überdies mit dem Dreibundvertrage nicht im Einklang stehe, nach¬ 
dem Deutschland nun von Rußland angegriffen worden sei und 
Frankreich sich Rußland angeschlossen habe, somit der casus 
foederis eingetreten sei. 
Abgesehen von diesen Umständen müsse ich es aber auch als 
eine sehr unkluge Politik von Seite Italiens bezeichnen, sich in einem 
solchen weltgeschichtlichen Momente von seinen Alliierten zu 
trennen. Es sei zum ersten Male seit dem Bestehen des Bundes, daß 
sich eine große Partie engagiere. Verbleibe Italien an der Seite der 
Verbündeten, biete sich die Gelegenheit zur Verwirklichung weit¬ 
gehender Aspirationen, wie Tunis, Savoyen usw. Schwenke es ab, 
werde es auch leer ausgehen. Es sei ein ganz unsinniger Ideen- 
gang, sich in die Furcht vor einer Machtvergrößerung Österreich- 
Ungarns am Balkan zu verrennen. Wir streben ja gar keine solche 
an, sondern nur die Erhaltung des Bestehenden. Italien dagegen 
winke die Aussicht auf Expansion und Kräftezuwachs. Nichts läge 
uns ferner als der Wunsch, das derzeitige Gleichgewichtsverhältnis 
gegenüber Italien verschieben zu wollen. Wenn eine solche Auf¬ 
fassung tatsächlich bestehe, so möge der Botschafter dafür sorgen, 
derlei Verdächtigungen mit den Argumenten entgegenzutreten, die 
ihm unser ganzes Verhalten während des dreißigjährigen Bestandes 
unseres Bundesverhältnisses an die Hand geben. Ich könne nicht 
glauben, daß mich Marchese di San Giuliano täuschen wollte, als er 
mir in Abbazia wiederholt mit allem Nachdruck versicherte, Italien 
wolle, Italien brauche ein starkes Österreich-Ungarn. Wie 
reime es sich damit, wenn er jetzt eine Politik zu machen sich an¬ 
schicke, die in letzter Linie gegen die Erhaltung der Monarchie in 
ihrem gegenwärtigen Bestände gerichtet ist? Besonders peinlich 
müsse dies berühren, da hiefür ein Moment gewählt wird, wo sich 
bei uns ein Umschwung zugunsten Italiens, eine Welle warmer 
Sympathie für das verbündete Königreich fühlbar mache. Es werde 
ihm nicht entgangen sein, zu welchen freundschaftlichen Demon-
	        
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