Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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in der Lage sei, mit Österreich-Ungarn direkt zu verhandeln und 
daher die Bitte ausspreche, England möge seine Vermittlung wieder 
aufnehmen. Als Voraussetzung betrachte die russische Regierung 
die vorläufige Einstellung der Feindseligkeiten.« 
Zu dieser russischen Eröffnung bemerkte Sir E. Grey zu Fürst 
Lichnowsky, England denke an eine Vermittlung à quatre und 
halte dieselbe für dringend geboten, wenn nicht ein Weltkrieg ent¬ 
stehen solle. 
In privater Weise hat Sir E. Grey dem deutschen Botschafter 
zu verstehen gegeben, daß England zwar, wenn es sich nur um ein 
Eingreifen Rußlands handeln würde, neutral bleiben könnte, daß es 
aber, wenn auch Deutschland und Frankreich in die Aktion treten, 
nicht untätig bleiben, sondern zu sofortigen Entschlüssen und Hand¬ 
lungen gezwungen wäre. Das englische Kabinett müßte mit der 
öffentlichen Meinung rechnen, die wegen der österreichischerseits 
bewiesenen Hartnäckigkeit umzuschlagen beginne. 
Dem italienischen Botschafter, den Sir E. Grey kurz nach dem 
Fürsten Lichnowsky empfing, sagte der englische Staatssekretär, 
er glaube Österreich-Ungarn jede mögliche Genugtuung verschaffen 
zu können. Ein demütiges Zurückweichen Österreich-Ungarns käme 
nicht in Frage, da die Serben auf alle Fälle gezüchtigt und mit Zu¬ 
stimmung Rußlands genötigt würden, sich den österreichisch-unga¬ 
rischen Wünschen unterzuordnen. Österreich-Ungarn könne also, 
auch ohne einen Weltkrieg zu entfesseln, Bürgschaften für die Zu¬ 
kunft erlangen. 
Herr von Tschirschky war beauftragt, an die in vorstehendem 
wiedergegebenen Äußerungen Sir E. Greys die nachstehenden Kon¬ 
siderationen des deutschen Reichskanzlers zu knüpfen. 
Wenn Österreich-Ungarn jede Vermittlung ablehne, würden 
Österreich-Ungarn und Deutschland einer Koalition von ganz Europa 
gegenüberstehen, da auch Italien und Rumänien nicht mit ihnen 
gingen. 
Österreich-Ungarns politischem Prestige, der Waffenehre seiner 
Armee und seinen berechtigten Ansprüchen Serbien gegenüber 
könnte durch die Besetzung Belgrads und anderer Punkte Genüge 
getan werden. Auch seine Stellung am Balkan — Rußland gegen¬ 
über — würde Österreich-Ungarn durch die erfolgte Demütigung 
Serbiens zu einer starken machen. Unter diesen Umständen müsse 
es das deutsche Kabinett dringendst und nachdrücklichst der Erwä¬ 
gung der k. u. k. Regierung anheimstellen, die Vermittlung Englands 
unter den angegebenen ehrenvollen Bedingungen anzunehmen. Es 
wäre für Österreich-Ungarn und Deutschland ungemein schwer, die 
Verantwortung für die Folgen einer ablehnenden Haltung zu tragen. 
ad i und 3 
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