Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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Verhältnis zwischen Großmächten. Wir hätten aber Konversation 
mit Petersburg abgebrochen und brächten auch den andern Mächten 
nichts, das sie in Petersburg verwerten könnten. 
Auf letzteren Punkt antwortet ich, daß jetzt, wo der Krieg 
begonnen habe, es schwer für uns sei, irgend etwas zu sagen. Was 
könnten wir ihm denn zur Vermittlung in die Hand geben? Er 
erwiderte, er wolle lieber keine Anregung machen, nachdem sie bei 
uns wie eine unberufene Einmischung angesehen werden könnte. 
Ich bemerkte, alles von ihm Kommende würde stets bei uns mit 
Rücksicht und freundschaftlicher Sympathie aufgenommen werden. 
Ich drang aber nicht weiter, da eine Anregung vielleicht jetzt nicht 
erwünscht wäre. Im Laufe der Konversation konnte ich aber kon¬ 
statieren, daß nach seiner Ansicht irgendeine Erklärung unserer¬ 
seits, daß wir nach der Besetzung der Hauptstadt und eines Teiles 
des Landes als Pfand innehalten würden, falls Serbien unsere For¬ 
derungen befriedigt (etwa mit Garantie der Mächte, daß Serbien 
seine Versprechungen einhält), ihm das einzige Mittel schiene, den 
großen Konflikt zu verhüten. Er verwahrte sich aber ausdrücklich 
dagegen, irgendeine Suggestion zu machen. Staatssekretär sowie 
Tyrrell beurteilten Lage sehr ernst. Auch letzterer beklagt haupt¬ 
sächlich den Abbruch unserer direkten Konversation mit Sazonow. 
Er meinte, Deutschland habe nicht sehr glücklich seine Besprechun¬ 
gen mit Petersburg begonen. Sazonow sei entschlossen, unter keiner 
Bedingung die Rolle Iswolskys im Jahre 1909 zu spielen. Kaiser 
Nikolaus soll auch diesmal sehr aufgebracht sein. 
Bezüglich hiesiger Haltung wiederholt mir Tyrell, daß, wenn 
Frankreich in Aktion tritt, Stellung britischer Regierung sehr 
schwierig sein wird. 
Mein Eindruck ist der, daß man sich hier eifrigst bemüht, 
Frieden zu erhalten und jedem Versuch dahin vollste Unterstützung 
angedeihen lassen wird, auch uns sehr weitgehende Satisfaktion 
und Garantien für die Zukunft gegenüber Serbien zu verschaffen 
bestrebt wäre, wenn, wozu es vielleicht jetzt zu spät ist, wir irgend¬ 
eine Erklärung bezüglich künftiger Existenz Serbiens als unabhän¬ 
giger Staat geben könnten, die für Rußland irgendwie akzeptabel 
wäre. 
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Graf Mensdorff an Grafen Berchtold 
Telegramm Nr. 122 London, den 30. Juli 1914 
Aufg. 10 Uhr •/. p.m. 
Eingetr.11 Uhr 30 M. a. m. 31./7. 
Chiffre 
Mein deutscher Kollege, sehr beunruhigt und aufgeregt, sagte 
mir, er sehe letzte Hoffnung, Weltkrieg zu verhüten, wenn die
	        
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