Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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geren akademischen und historischen Erörterung über die Reformära, 
Sandschakbahn usw., bei welcher alte Griefs zum Vorschein kamen. 
Dies alles spielte sich aber in vollkommen freundschaftlicher Form ab. 
Ich verabschiedete mich sodann, weil der Minister zu seinem kaiser¬ 
lichen Herrn nach Peterhof beschieden war. 
Meine Impression ging dahin, daß der Minister bei der vorhan¬ 
denen Unlust, mit uns in Konflikt zu geraten, sich an Strohhalme 
klammert, in der Hoffnung, doch noch der gegenwärtigen Situation zu 
entkommen. Ich muß speziell konstatieren, daß er im Gegensatze zu 
früheren Spannungsperioden diesmal! nie von öffentlicher Meinung, 
Slawentum, Orthodoxie spricht und1 stets politisch sachlich diskutiert, 
indem er besonders das Interesse Rußlands an dem Unterbleiben einer 
Infeodierung Serbiens hervorhebt. Die seither erfolgte Kriegs-' 
erklärung an Serbien dürfte nunmehr bald die wahren Absichten Ru߬ 
lands in die Erscheinung treten lassen. 
öffentliche Meinung ist bis jetzt merkwürdig ruhig gewesen, so 
daß Berufung auf dieselbe einstweilen schwer gewesen wäre. Kriegs¬ 
erklärung dürfte allerdings starke Reperkussion hervorbringen. 
In diplomatischen Kreisen ist die Stimmung im allgemeinen sehr 
pessimistisch. Englische und hiesige Verhältnisse sehr genau ken¬ 
nender japanischer Kollege hält Eingreifen Rußlands für unver¬ 
meidlich. Italienischer Botschafter vermag noch immer nicht recht 
daran zu glauben, Herr Spalajkovic, welcher sich bisher auf englischen ' 
Mediationsvorschlag einiges zu gute getan zu haben scheint, soll auf 
Eintreffen der Kriegserklärungsnachricht sehr niedergeschlagen ge¬ 
wesen sein. In kommerziellen Kreisen ruft ungeheures Sinken des 
Rubelkurses Bestürzung hervor. 
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Graf Szapáry an Grafen Berchtold 
Telegramm Nr. 176' Petersburg, den 29. Juli 1914 
Aufg. 11 Uhr 27 M. a. m. 
Eingetr. 3 Uhr 30 M. p. m. 
Chiffre 
Um Froissement Sazonows, welcher irgend eine Rückäußerung 
auf seine Mediationsanregung erwartet, zu vermeiden und Anschein zu 
umgehen, als ob die Kriegserklärung sozusagen Antwort auf seinen 
Vorschlag sei, gestatte ich mir die unvorgreif liehe Anfrage, ob ich dem 
russischen Minister sagen könnte, Erklärung des Kriegszustandes sei 
schon beschlossen gewesen, als mein Telegramm eintraf beziehungs¬ 
weise Herr Schebeko analoge Anregung machte. 
Sollte Schebeko irgendwelche Antwort auf russische Proposition 
zuteil geworden sein, wäre ich für Mitteilung sehr verbunden.
	        
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