Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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gen der panslawistischen Hochflut ein Ziel zu setzen und unseren 
Ländern den Frieden zu sichern. 
Dieses wird aber nur dann möglich sein, wenn Serbien, welches 
gegenwärtig den Angelpunkt der panslawistischen Politik bildet, als 
politischer Machtfaktor am Balkan ausgeschaltet wird. 
Auch Du wirst nach dem jüngsten furchtbaren Geschehnisse 
in Bosnien die Überzeugung haben, daß an eine Versöhnung des 
Gegensatzes, weicher Serbien von uns trennt, nicht mehr zu denken 
ist, und daß die erhaltende Friedenspolitik aller europäischen 
Monarchen bedroht sein wird, solange dieser Herd von verbreche¬ 
rischer Agitation in Belgrad ungestraft fortlebt. 
Beilage 
Denkschrift 
Nach den großen Erschütterungen der letzten zwei Jährte haben 
sich die Verhältnisse am Balkan so weit geklärt, daß es nun möglich 
ist, die Ergebnisse der Krise einigermaßen zu übersehen und fest¬ 
zustellen, inwiefern die Interessen des Dreibundes, insbesondere 
die der beiden zentralen Kaisermächte, durch die Ereignisse tangiert 
wurden, und welche Schlußfolgerungen sich für die europäische 
und Balkanpolitik dieser Mächte ergeben. 
Wenn man di^e heutige Situation mit jener vor der großen 
Krise unbefangen vergleicht, muß man konstatieren, daß das Ge¬ 
samtergebnis, vom Standpunkte Österreich-Ungarns ¡sowie des Drei¬ 
bundes aus betrachtet, keineswegs als günstig bezeichnet werden 
kann. 
Die Bilanz weist allerdings einige Aktivposten auf. Es ist 
gelungen, als Gegengewicht gegen das Vordringen Serbiens ein 
selbständiges albanesisches Staatswesen zu schaffen, das nach einer 
Reihe von Jahren, wenn seine innere Organisation vollendet sein 
wird, immerhin auch als militärischer Faktor in den Kalkül des 
Dreibundes eingestellt werden kann. Die Beziehungen des Drei¬ 
bundes zu dem erstarkten und vergrößerten griechischen König¬ 
reiche haben sich allmählich so gestaltet, daß Griechenland, trotz 
seines Bündnisses mit Serbien, nicht unbedingt als Gegner anzu¬ 
sehen ist. 
Hauptsächlich ist aber infolge der Entwicklung, die zum zwei¬ 
ten Balkankri,eg geführt hat, Bulgarien aus der russischen Hypnose 
erwacht und kann heute nicht mehr als Exponent der russischen 
Politik gelten. Die bulgarische Regierung strebt im Gegenteile an, 
in ein näheres Verhältnis zum Dreibund zu treten. 
Diesen günstigen Momenten stehen jedoch nachteilige gegen¬ 
über, die schwerer als jene ins Gewicht fallen. Die Türkei, deren 
Interessengemeinschaft mit dem Dreibunde von selbst gegeben war, 
und die ein starkes Gegengewicht gegen Rußland und die Balkan-
	        
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