Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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scheint, daß er dennoch im Besitze von Weisungen ist, von denen er 
aber Dreibundkollegen nichts mitteilen will. 
Marquis Carlotti erzählt eben deutschen Kollegen, Herr Sazonow 
habe gar nicht mehr so sehr auf Europäisierungsvorschlag insistiert. 
Italienischer Botschafter will Eindruck haben, daß sowohl England 
als Frankreich von europäischer Aktion nicht viel wissen wollen und 
hier eher auf Lokalisierung drängen sollen. Letzteres schwer kon¬ 
trollierbar. 
Rumänischer Gesandter, der mich eben aufsuchte, zeigte sich 
besorgt und sagte mir, Sazonow äußere sich dahin, er habe zwar 
friedliche Intentionen, fürchte aber »d'être débordé dans cette 
affaire«. Ich erwiderte, wenn russische Regierung den Frieden 
wolle, werde sie ihn auch erhalten können. Herr Diamandi schien 
hauptsächlich erpicht, zu erfahren, ob ich einen Kompromiß mit 
Serbien für möglich halte. 
Sowohl in diplomatischen wie in russischen Kreisen werden 
mit großer Bestimmtheit Nachrichten über die militärischen Ma߬ 
nahmen Rußlands kolportiert. Ebenso sensationelle Nachrichten 
über den heutigen Ministerrat in Krasnoje Selo. 
Auch die Presse scheint mir heute abends zum ersten Male 
freier losgelassen. Bisher war öffentliche Meinung vollkommen 
gleichgültig. Ob dies alles Begleitmusik zu unsere Entschließungen 
retardieren sollenden russischen Demarchen oder ob ernsterer Hin¬ 
tergrund vorhanden, ist eine offene Frage. So viel läßt sich sagen, 
daß Stimmung heute verschlechtert und Lage als verschärft an¬ 
gesehen wird. 
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Graf Berchtold an den Grafen Szápáry in Petersburg1 
Erlaß Nr. 3530. Wien, den 25. Juli 1914 
Geheim 
In dem Augenblick, wo wir uns zu einem ernsten Vorgehen 
gegen Serbien entschlossen haben, sind wir uns natürlich auch der 
Möglichkeit eines sich aus der serbischen Differenz entwickelnden 
Zusammenstoßes mit Rußland bewußt gewesen. Wir konnten uns 
aber durch diese Eventualität nicht in unserer Stellungnahme ge¬ 
genüber Serbien beirren lassen, weil grundlegende staatspolitische 
Konsiderationen uns vor die Notwendigkeit stellten, der Situation 
ein Ende zu machen, daß ein russischer Freibrief Serbien die 
dauernde, ungestrafte und unstrafbare Bedrohung der Monarchie 
ermögliche. 
1 Vgl. die Fassung im Österreichisch-ungarischen Rotbuch, Nr. 26.
	        
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