Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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er selbst hat aber meinem Gesandten im Laufe der letzten Monate 
zweimal erklärt, daß er angesichts der erregten und feindlichen Stim¬ 
mung seines Volkes nicht in der Lage wäre, im Ernstfalle seinen 
Bundespflichten nachzukommen. 
Dabei fördert die gegenwärtige rumänische Regierung ganz 
offen die Bestrebungen der Kulturliga, begünstigt die Annäherung 
an Serbien und strebt mit rumänischer Hilfe die Gründung eines 
neuen Balkanbundes an, der nur gegen mein Reich gerichtet sein 
könnte. 
Schon am Beginn der Regierungsz'eit Carls haben ähnliche 
politische Phantasien, wie sie jetzt von der Kulturliga verbreitet 
werden, den gesunden politischen Sinn der rumänischen Staats¬ 
männer getrübt, und es hat die Gefahr bestanden, daß das Königreich 
• eine Abenteurerpolitik treiben würde. Damals, hat Dein seliger 
Großvater in energischer, zielbewußter Weise durch seine Regie¬ 
rung eingegriffen und hat Rumänien so den Weg gewiesen, auf 
welchem es zu einer Vorzugsstellung in Europa und zu einer ver¬ 
läßlichen Stütze aller Ordnung geworden ist. 
Jetzt droht dieselbe Gefahr dem Königreiche; ich befürchte, 
daß Ratschläge allein nicht mehr helfen werden, und daß Rumänien 
nur dann dem Dreibunde erhalten werden kann, wenn wir einerseits 
das Entstehen eines Balkanbund}es unter russischer Patronanz durch 
den Anschluß Bulgariens an den Dreibund unmöglich machen und 
andererseits in Bukarest klar und deutlich zu erkennen geben, daß 
die Freunde Serbiens nicht unsere Freunde sein können, und daß 
auch Rumänien nicht mehr mit uns als Bundesgenossen wird rechnen 
können, wenn es sich nicht von Serbien lossagt und die gegen den 
Bestand meines Reiches gerichtet^ Agitation in Rumänien mit aller 
Kraft unterdrückt. 
Das Bestreben meiner Regierung muß in Hinkunft auf die 
Isolierung und Verkleinerung Serbiens gerichtet sein. Die erste 
Etappe auf diesem Wege wäre in ¡einer Stärkung der Stellung der 
gegenwärtigen bulgarischen Regierung zu suchen, damit Bulgarien, 
dessen reelle Interessen mit den unsrigen übereinstimmen, vor der 
Rückkehr zur Russophilie bewahrt bleibt. 
Wenn man in Bukarest erkennt, daß der Dreibund entschlossen 
ist, auf eir^en Anschluß Bulgariens nicht zu verzichten, jedoch bereit 
wäre, Bulgarien dazu zu veranlassen, sich mit Rumänien zu ver¬ 
binden und dessen territoriale Integrität zu garantieren, so wird 
man dort vielleicht von der gefährlichen Richtung zurückkommen, 
in welche man durch die Freundschaft mit Serbien und die An¬ 
näherung. an Rußland getrieben worden ist. 
Wenn dies gelingt, könnte der weitere Versuch gemacht 
werden, Griechenland mit Bulgarien und der Türkei zu versöhnen; 
es würde sich dann unter der Patronanz des Dreibundes ein neuer 
Balkanbund bilden, dessen Ziel darin bestehen würde, dem Vordrin¬
	        
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