Volltext: Die österreichisch-ungarischen Dokumente zum Kriegsausbruch

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Marquis San Giuliano erklärte schließlich, es sei seine ent¬ 
schiedene Absicht, uns zu unterstützen, falls unser Begehren an 
Serbien ein solches sei, daß seine Erfüllung legitim erscheint. Ge- 
genteiligenfalls hätte er die Stimmung seines ganzen Landes gegen 
sich, das nun einmal liberal, seines revolutionären Ursprunges ein¬ 
gedenk und für irredentistische Manifestationen, wo immer, Sym¬ 
pathie habe. Er betonte, seine Haltung würde erleichtert, wenn 
unsere Demarche in Belgrad sich — wenn nicht ausschließlich, so 
doch vorwiegend — auf die Katastrophe in Sarajevo 
und weniger auf sonstige Agitationen stützen würde. 
Ich argumentierte gegen alle diese Einschränkungen, die ich 
theoretisch als verfehlt (weil Serbien auf das Niveau eines modernen 
Kulturstaates stellend), praktisch als ungenügende Freundschaft und 
Solidarität bezeichnete. 
Hinsichtlich der Presse sagte der Minister unter den vorstehen¬ 
den Reserven seine Einflußnahme zu, meinte aber, dieselbe erst 
nach Kenntnisnahme des Inhalts unserer Demarche in Belgrad ein¬ 
treten lassen zu können. 
Nach Montenegro versprach er, noch heute Instruktion in von 
uns gewünschtem Sinne abgehen zu lassen. Auch in Belgrad habe 
er bereits Ratschläge zur Konzilianz erteilt und, um deren Gewicht 
zu vermehren, ...... 1 Gesandten zurückbeordert. 
Schließlich bemerkte der Minister, sein Vertrauen in unsere 
Mäßigung gegenüber Serbien gründe sich vor allem auf die Weis¬ 
heit unseres Monarchen, was ich mit der Bemerkung quittierte, er 
könne in der Tati schon hieraus die Beruhigung schöpfen, daß unsere 
Schritte in Belgrad, was immer ihr Inhalt sei, sorgfältig erwogen 
und unbedingt notwendig sein werden. 
Im ganzen gab mir Unterredung Eindruck vieler freundlicher 
Phrasen, aber ebenso vieler mentaler Reservationen sowie daß der 
Minister offenbar vorläufig nicht an den Krieg, sondern an ein Ein¬ 
lenken Serbiens glaubt}, wobei er vermutlich auf ein intensives 
Einwirken der Mächte in Wien und Belgrad rechnet. 
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Vorsprache des deutschen Botschafters im k. u. k. Ministerium 
des Äußern 
Tagesbericht Nr. 3443 Wien, den 21. Juli 1914 
Der kaiserlich deutsche Botschafter hat sich bei seinem heutigen 
Besuche dahin geäußert, seine Regierung sei zwar davon unter¬ 
richtet), daß sich Marquis di San Giuliano über den zu gewärtigenden 
Schritt Österreich-Ungarns in Serbien sehr erregt gezeigt habe. 
1 Chiffre verstümmelt.
	        
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