Die Balkanfront
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den Kriegsstand zu bringen, zumal bei der Haltung Italiens auf eine
unbedingt sichere Benützung des Seeweges nicht mit Bestimmtheit ge¬
rechnet werden kannte. Um so größere Ansprüche waren deshalb an
das Befestigungswesen zu stellen. Dies geschah auch schon in der Ära
Beck. Sein Nachfolger Conrad kannte Land und Leute seit den Kampf¬
jahren 1878 und 1882 genau.
Nach den Gesichtspunkten, die er im März 1908 für diesen Neben¬
kriegsschauplatz aufstellte, sollten die wenigen zur Verfügung stehenden
Truppen tunlichst im freien Felde verwendet und nicht übermäßig für
Besatzungszwecke in Anspruch genommen werden. Somit erschien ihm
eine Verringerung der Zahl befestigter Objekte geboten. Diese hatten
als Depotpunkte für allen materiellen Bedarf — als „befestigite Torni¬
ster", wie man sie seinerzeit nannte — zu dienen, während die Truppen
durch Befreiung vom Troß beweglicher gemacht werden sollten. Con¬
rad wollte daher die Depotpunkte nur mit einem Mindestmaß an
Kräften festhalten und deshalb mit dem bisherigen System der kleinen
Gürtelfestungen brechen. Die Stapelplätze sollten bloß durch vorge¬
schobene Forts und ohne ¡ausgesprochenen Gürtel gegen die Beschießung
durch feindliche Artillerie geschützt werden.
Nach der vom Herbst 1908 bis zum März des darauffolgenden
Jahres dauernden Annexionskrise sah sich Conrad — mit der friedlichen
Austragung des Streitfalles durchaus nicht einverstanden — veranlaßt,
das Befestigungswesen in BHD. neuerlich zu überprüfen. Mit Sicherheit
rechnete er jetzt darauf, daß die Serben und Montenegriner die nächst¬
beste Gelegenheit benützen würden, um ihr deutlich bekundetes Streben
nach den südslawischen Provinzen Österreich-Ungarns in die Tat umzu¬
setzen. Die Serben mochten beabsichtigen, in Südungarn einzufallen und
über die untere Drina vorzudringen, die Montenegriner, sich des Kü¬
stengebietes zu bemächtigen. Dies mußte verhindert werden. Die Pläne
des Generalstabschefs sind seinem Werke „AMDZ." (I, 435) za ent¬
nehmen," wo es heiß t :
„Ein Krieg gegen Serbien und Montenegro entschied sich in Serbien; gegen
Serbien waren daher die entscheidenden Operationen zu richten, die Hauptkräfte zur
Offensive über die untere Drina und die Save—Donau zu versammeln ... Im
übrigen Gebiete, also an der mittleren Drina (von Foca bis Visegrad), dann in der
Herzegowina und in Süddalmatien kam es hauptsächlich darauf an, etwaigen Erfolgen
des Gegners Schranken zu ziehen, bis die Entscheidung in Serbien gefallen war."
Vornehmlich handelte es sich Conrad um die Modernisierung und
Ergänzung der befestigten Plätze in Süddalmatien (hierüber der vorige