Bis zum Falle von Götz
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vom Feinde hinter die tiefe Rinne des Vallonetales zurück. Auch hier
gleichwie im Osten von Görz wurden alle weiteren Vorstöße des Feindes
restlos abgewiesen. Ob die Räumung wirklich nötig war, mag dahinge¬
stellt bleiben; höheren Orts war man nicht unbedingt davon überzeugt.
Freilich wurde, wie auch bei Görz, die Front taktisch wesentlich ver¬
bessert, vor allem verkürzt; aber hier wie dort bedeutete es schwere
moralische Opfer, Görz und den Monte San Michele, um die so viel
Blut geflossen, dem Feinde zu überlassen; war die Räumung der Stadt
gezwungen erfolgt, so wurde die freiwillige des Berges von der Truppe
um so schwerer empfunden. Und dann war dem Feinde bis zu sieben
Kilometer Raum überlassen, das heißt, der ohnehin kurze Weg nach
Triest noch um einen guten Bruchteil verkürzt worden...
Trotz der wider aller Erwarten vereitelten Auswirkung der An¬
fangserfolge haben die Italiener natürlich die Schlacht als großen Sieg
gefeiert, und jede kämpfende Nation hätte an ihrer Stelle dasselbe ge¬
tan; die Einnahme von Görz, das erreichte erste der großen Kampfziele,
berechtigte sie zweifellos dazu. Aber gerade dieses Zugeständnis läßt im
hellsten Lichte den Kontrast hervortreten zwischen der Vorstellung, die
sit sich zu Beginn der Feindseligkeiten von einem Sieg bei Görz gemacht
haben mochten, und dem, was sie jetzt als solchen zu feiern bemüssigt
waren. Nach vierzehn Monaten war der „Spaziergang" um ganze sieben
Kilometer vorwärts gekommen ; bis Triest waren es noch rund zwanzig,
bis Wien viele hundert; wie lange mußte da der Krieg noch dauern,
wieviel Blut mochte er noch kosten, bis diese Ziele erreicht waren?
Österreichischerseits tat man natürlich das Möglichste, um den er¬
littenen Verlust vor der Öffentlichkeit abzuschwächen, aber mit geringem
Erfolge. Der Fall von Görz wurde in der Heimat sehr bitter empfunden,
wie vor ihm nur die Räumung von Belgrad und der Fall von Przemysl.
Die Armee wieder trauerte nicht minder um den Monte San Michele,
der zum Wahrzeichen ihres höchsten Heldentums geworden war, und
dies um so mehr, weil sie die Notwendigkeit seiner Räumung nicht recht
einsah. Das geglückte Festhalten der neuen Linie tröstete mehr die sach¬
lich denkende Führung als die große Masse in und hinter der Front;
die entmutigenden Eindrücke der Schlacht wirkten noch lange nach und
haben zuerst wieder etwas vom alten österreichischen Pessimismus auch
am Isonzo, wo er bisher ausgelöscht gewesen, zum Leben erweckt. Nach
der sechsten Schlacht war der Isonzokrieg ein dumpfes, fatalistisches,
freudloses Ausharren geworden.