Volltext: Das Kriegsjahr 1918 ; 7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ; (7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ;)

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Dem Niedergang entgegen 
lische Empfinden in breiten Schichten untergruben. Eine epidemisch ¡auf¬ 
tretende Grippe unid andere Krankheiten wüteten unter den körperlich 
und seelisch zermürbten, widerstandsschwachen Bewohnern. Überall, in 
erster Linie in den volkreichen Städten, bangte man vor den Nöten des 
kommenden Winters. 
Hunger und wirtschaftliche Mißstände, die verschärften sozialen 
Gegensätze und die politisch-revolutionären Strömungen hatten eine der¬ 
artige Spannung erzeugt, daß die Regierung jederzeit mit einem gewalt¬ 
samen Ausbruch der Volksleidenschaften rechnen mußte. Polizei und 
Gendarmerie genügten schon lange nicht mehr, um Ruhe und Sicherheit 
aufrecht zu erhalten. Die Militärmacht war das letzte Mittel, das der 
Staat der sich erhebenden Revolution entgegenstellen konnte. Seit dem 
Frühjahr hatte eine Reihe von Feld divisi onen im Hinterland Assistenz¬ 
dienst leisten müssen. Da diese Verbände doch nicht lauf längere Zeit der 
Front entzogen bleiben konnten, erachtete das Kriegsministerium' minde¬ 
stens 66 jederzeit verwendungsfähige „Assistenzbataillone" in der Heimat 
für erforderlich und- begann mit deren Aufstellung bei den Ersatzkör¬ 
pern. Als dann die Heeresleitung Ende August sämtliche noch im Hinter¬ 
land stehenden 21 Feldbiataülone dringlich anforderte, setzte es der 
Kriegsminister, GO. Stöger-Steiner, doch durch, daß die Feldtruppen nur 
entsprechend dem Zuwachs ¡an Assistenzkörpern für die Front freige¬ 
geben werden durften. Daß darüber, ob Truppen gegen den äußeren 
Feind oder eher im Innern des Reiches zu verwenden wären, ein ernst¬ 
licher Meinungsstreit entstehen konnte, wies mit erschreckender Deut¬ 
lichkeit auf die bedrohliche Lage hin. 
Die Heimattruppen, die der Front durch frische Kämpfer neuen 
Kraftzuschuß gewähren sollten, blieben von den schädigenden Einflüssen 
der Umgebung nicht verschont. Die soziale Krise sowie die politische 
Werbe- und Wühlarbeit wirkten zersetzend auf den Geist der Ersatzkörper. 
Diese bestanden aus Soldaten, die zum Großteil aus Rußland heimge¬ 
kehrt oder die nach mehrfacher Musterung endlich tauglich erklärt und 
gleich den bisher „Enthobenen" nur widerwillig eingerückt waren, dann 
aus eben erst dienstpflichtig gewordenen Jugendlichen, die bisher in der 
Werkstätte verhältnismäßijg hohe Löhne bezogen hatten, oft ¡aber dar¬ 
bende Angehörige daheim ließen, schließlich auch aus kaum genesenen 
Kämpfern, viele nach mehrfacher Verwundung. Aus solchen Leuten 
ließen sich kaum noch kampfesfreudige, begeisterte Vaterlands Verteidi¬ 
ger erziehen, zumal wenn sie bereits bewußt entgegengesetzten Anschau¬ 
ungen zuneigten. Die vielen Versuche der Befehlsstellen, den Verkehr
	        
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