Volltext: Das Kriegsjahr 1918 ; 7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ; (7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ;)

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Dem Niedergang entgegen 
Die große Offensive der Deutschen im ersten Halbjahr war von dem 
Gedanken getragen, auf den Schlachtfeldern des Westens die Kriegs-- 
macht Frankreichs und Englands niederzuwerfen, bevor die Vereinigten 
Staaten von Amerika mit ihrer ganzen, unverbrauchten Kraft auf der 
Walstatt erscheinen konnten. Diese Zwangslage Deutschlands, das seine 
mit aller Anspannung erreichte Überlegenheilt innerhalb' 'einer begrenzten 
Frist ausnützen mußte, erkannten auch die Westmächte. Für sie galt es 
daher, über die kritische Zeitspanne hinweg zu kommen, denn eine un¬ 
anfechtbare Rechnung ergab, daß sich auf Seite der Entente mit Hilfe 
der Amerikaner um die Jahresmitte zunächst das Gleichgewicht, später 
das Übergewicht der Kräfte einstellen mußte1). Die Wartefrist unter¬ 
warf Staatslenker und Heerführer einer harten Probe; jedoch der große 
Rat der Alliierten war sich bewußt, daß Sieg oder Niederlage nur eine 
Frage der Seelenstärke war2). 
Unter den Keulenschlägen der Deutschen wankten die Fronten be¬ 
denklich; Paris und die Kanalhäfen, die Basis der Engländer, schienen 
bedroht. Die Abwehr verschlang viele Truppen, so daß der französische 
Oberbefehlshaber, Gen. Pétain, wie der britische, FM. Haig, iin ernster 
Sorge waren, wie sie ihre zerschlagenen Divisionen wieder auffüllen soll¬ 
ten, denn die Ersätze reichten nicht mehr ;aus3). Dem Menschenmangel 
der Westmächte vermochte nur der Zustrom aus Amerika abzuhelfen. 
Die ausgeschifften Truppen waren aber nicht sofort verwendbar; sie be¬ 
durften noch einer längeren Schulung, zumal da sie größtenteils erst in 
Europa Geschütze, Flugzeuge und anderes Kriegsgerät, hauptsächlich aus 
englischen ¡oder französischen Werkstätten, empfingen4). Auch wehrte 
sich der Oberbefehlshaber der Amerikaner, Gen. Pershing, gegen einen 
allzu verzettelten Einsatz seiner Streitkräfte. 
Bis Mitte Juni hatten die wuchtigen, erfolgreichen Angriffe der 
Deutschen in Frankreich einen tiefen Eindruck von der kriegerischen Stärke 
des Gegners erzeugt. Gleichwohl nahm der Ententefeldherr Foch unter 
seinen Vorsorgen, um dem nächsten, bestimmt zu erwartenden Ansturm 
*) Foch, II, 115. — Haig, England an der Westfront (Berlin 1925), 253. 
2) Lloyd-George, War memoirs, VI (London 1936), 3084. 
3) Foc h, II, 75 ff. — Ha i. g, 250. Eine Anzahl britischer Divisionen wurde nach 
den verlustreichen Frühjahrskämpfen aufgelöst. 
4) Churchill, Weltkrisis 1916—18 (Leipzig-Wien 1928), II, 187 ff. — Die 
Ausrüstung mit Waffen europäischer Herkunft erfolgte einerseitsi aus dem Grunde, 
um den verfügbaren Schiffsraum für die Beförderung von Kämpfern voll auszuwerten, 
andererseits weil auch die Industrie der Vereinigten Staaten gar nicht so leistungs¬ 
fähig wie die Rüstungsindustrie der alten Welt war (Lloyd-George, V, 3062 ff.).
	        
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