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Der Ausklang des Kriegsjahres 1917
im Jahre 1917 unternommen : einen in Ostgalizien, einen in Rumänien,
einen an der Ostsee und den letzten in Oberitalien, der die Ausfalls¬
truppen vom Isonzo und aus den Kärntner Gebirgen auf 100 und 150 km
vorwärts führte. Aber den Belagerungsgürtel entzwei zu reißen, blieb
den Heeren der Mittelmächte versagt und auch die U-Boote, die als
Entsatztruppe im Rücken der Belagerer angesetzt waren, hatten die
Hoffnungen, die man ihrem Wirken entgegenbrachte, nicht erfüllt. Waren
im zweiten Viertel des Kriegsjahres 1917 noch 2,976.000 t versenkt wor¬
den, so sank diese Zahl in den folgenden Vierteljahren auf 2,491.000
und auf 1,983.000 herab1). Die Ü-Bootgefahr konnte von England im
Herbst als abgewendet betrachtet werden. Aber diese Enttäuschung
mochte bei den Mittelmächten zunächst noch nicht allzu schwer wiegen
gegenüber den Vorteilen, die das Ausscheiden Rußlands aus der Kampf¬
front verhieß. Der endgültige Zusammenbruch des russischen Heeres, der
nach dem Scheitern der „Kerenski-Offensive" nicht mehr aufzuhalten
war, hatte den Kaisermächten den Rücken schon während des italieni¬
schen Feldzuges freigehalten. Diese Rückenfreiheit blieb auch für das
kommende Frühjahr aufrecht und behielt so lange ihren Wert, bis ent¬
sprechend starke amerikanische Kräfte an der Westfront auftauchen
konnten.
Gegenüber diesem sonach noch immer recht günstigen militäri¬
schen Bilde stach allerdings die politische Lage der Mittelmächte und
ihrer Verbündeten nicht unerheblich ab. Die über sie verhängte Hunger¬
blockade und die Abschnürung von allen Rohstoffquellen der Welt ließen
es allgemach an der unvermeidlichen Wirkung nicht fehlen. Der vom
Vielverband entfachte Ideenkampf fand überall aufnahmsbereiten Boden.
Deutschlands Volkskörper war schon von bedenklichen sozialen Fiebern
befallen, im habsburgisehen Reiche kamen noch nationale Beben hinzu,
die nicht mehr bloß unterirdisch fühlbar waren. Am 12. Dezember 1916
hatten die Regierungen der Mittelmächte den ersten offiziellen Friedens¬
schritt des Weltkrieges getan. Das Scheitern dieses Schrittes hatte den
jungen Kaiser und seinen Außenminister Czernin nicht vor der Auf¬
nahme weiterer Friedensfühler zurückschrecken lassen. Über die Möglich¬
keiten eines Sonderfriedens für Österreich-Ungarn ist das Nötigste ge¬
sagt worden (S. 417 ff.). Wie es um die Frage eines allgemeinen Friedens
stand, ging aus den verschiedenen Ententekundgebungen im Sommer und
im Herbst 1917 hervor. Italien zeigte sich in keiner Weise geneigt, von
!) Nach britischen Angaben lauten diese Zahlen: 2,225.000, 1,500.000 und
1,125.000. Vgl. Montgelas in der Propyläen-Weltgeschichte, X, 432.