Volltext: Das Kriegsjahr 1917 ; 6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ; (6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ;)

Der Osten im letzten Jahresviertel 1917 
Weiterer V e r f a 11 der Staatsgewalt und des Heeres 
in Rußland 
Im großen russischen Reiche waren dem kurzen kriegerischen Auf¬ 
schwung, zu dem Kerenski das Heer im Hochsommer aufzustacheln ver¬ 
mocht hatte, bald neue innere Wirren gefolgt, die das schwererschütterte 
Staatswesen nicht zur Ruhe kommen ließen. Der von Kerenski ernannte 
Höchstkommandierende, Gen. Kornilow (S. 320), vertrat nachdrücklich 
die Ansicht, daß der Kriegszustand mit den Mittelmächten nur aufrecht¬ 
zuerhalten sei, wenn die Befehlsgewalt und eine straffe Manneszucht 
im Heere, selbst mit den schärfsten Mitteln, zugleich aber :auch die 
Ordnung im ganzen Staate wiederhergestellt würden. Die Vorschläge 
des Generals fanden in dem britischen Botschafter Buchanan einen 
eifrigen Fürsprecher; denn begreiflicherweise lag der Entente viel 
daran, daß Rußland nicht aus dem Kriege ausspränge1). Auch Kerenski 
war von der Notwendigkeit überzeugt, daß die Wehrmacht durch 
strenge Maßnahmen wieder aufgerichtet werden müsse 2) ; er war auch 
auf einen Teil der Forderungen Kornilows eingegangen, scheute aber 
davor zurück, den militärischen Führern zu einer Machtfülle zu ver¬ 
helfen, die sich geigen die Regierung wenden könnte. So bildete sich 
zwischen dem durch die Revolution emporgehobenen Staatslenker und 
dem Oberbefehlshaber — beide Männer waren von grundverschiedener 
Wesensart — ein immer schärferer Gegensatz heraus, der letzten Endes 
zu einem Streit um den Besitz der Armee wurde 3). Auf den tatkräftigen 
General, der seine Forderungen in sehr bestimmten Ton kleidete, 
blickten die Offiziere und die bürgerlichen Kreise als den Retter 
Rußlands. Dies bestärkte in Kerenski den Argwohn, daß die hohen 
Offiziere auf eine Militärdiktatur hinarbeiteten4). 
In Kornilows Programm spielte die Unterstellung des Petersburger 
x) Buchanan, Meine Mission in Rußland (Berlin 1926), 216ff. 
2) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin, 180ff. 
3) Spannocchi, 168ff. 
4) M a r t i n o w, Kornilow, 63 ff. — Kerenski, Erinnerungen (Dresden 1928), 
382 ff.
	        
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