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Diie Kriegspläne für das Kriegs jähr 1917
Heere aufzurichten und mit dem Ziele, im kommenden Jahre den Krieg
siegreich zu beenden, alle Kräfte und Mittel ein letztesmal aufzubieten.
Gemäß den Beschlüssen von Chantilly sollte sich auch das italieni¬
sche Heer für den im Monat Februar zu unternehmenden Generalangriff
bereitstellen. Doch in Italien schwankte der Wille, den Krieg ver¬
einbarungsgemäß zu führen, nicht unerheblich. Da wurde anfangs Jän¬
ner 1917 eine neue Konferenz der Staatsmänner und Generalstabschefs
der Ententemächte nach Rom einberufen. Offenbar sollte die Eintracht
der Alliierten den Italienern recht sinnfällig vor Augen geführt und die
öffentliche Meinung im Lande aufgerichtet werden. Auch galt es, die
Kriegsziele zu überprüfen.
Unter den Konferenzteilnehmern befand sich auch Lloyd-George,
ein Mann beweglichen Geistes, der seit Dezember 1916 die Geschicke
Großbritanniens als Premierminister lenkte. Er griff gerne auch in mili¬
tärische Fragen ein; so bezeichnete er — wie seinen Denkwürdigkeiten zu
entnehmen ist — die Konferenz zu Chantilly als „eine reine Komödie"
und die bisherige Kriegführung als „talentlos"1). In Rom überraschte
er die Ratsversammlung mit der neuen Idee einer gemeinsamen Offen¬
sive der Franzosen, Engländer und Italiener durch die Julischen Alpen
auf Laibach und Wien, durch die das alte Kaiserreich niedergeworfen
werden sollte 2).
GLt. conte Cadorna nahm diese Anregung mit Freuden auf. Er ar¬
beitete einen Operationsentwurf aus, in dem er der Meinung Ausdruck
verlieh, daß schon durch die Eroberung von Triest oder besser noch der
Julischen Alpen (worunter er offenbar den Raum zwischen Triglav und
Krainer Schneeberg verstand), die Savelinie bedroht und das Donau¬
reich in eine ernste Krise versetzt werden würde. Für die Offensive ver¬
langte er eine Unterstützung durch wenigstens 300 englisch-französische
schwere Geschütze sowie durch mindestens acht Infanteriedivisionen.
Die Generalstäbe der Westmächte, die ihre Kriegspläne nach den
Richtlinien Nivelles schon geschmiedet hatten, ließen sich aber in der
festen Überzeugung, daß die Kriegsentscheidung auf Frankreichs Boden
erkämpft werden müsse, nicht dazu bewegen, so namhafte Kräfte für
einen Kriegsschauplatz abzugeben, den sie als nachgeordnet betrachteten.
Sie wären bestenfalls zur Beistellung der 300 Geschütze bereit gewesen,
jedoch nur bis Anfang April,, weil man dann den mittlerweile auf diesen
Zeitpunkt verschobenen Hauptangriff gegen Deutschland durchzuführen
!) Lloyd-George, War Memoirs (London 1933), II, 658.
2) Robertson, Soldaten und Staatsmänner 1914—1918 (Berlin 1927), 400 f.