Volltext: Das Kriegsjahr 1917 ; 6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ; (6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ;)

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Der letzte Russenanstiirm 
schlechter te. Sicherlich zum Teil auch hervorgerufen durch die revo¬ 
lutionären Ereignisse in Rußland, kam es nach dem 20. Mai zu offenen 
Meutereien, zuerst bei den in Reserve stehenden Truppen, dann auch 
an der Front. Insgesamt wurden 16 französische Korps vom zersetzen¬ 
den Geist erfaßt. Bei 75 Infanterieregimentern, 23 Jägerbataillonen, 
12 Artillerie-, 1 Dragoner- und 2 Kolonialregimientern sowie bei den 
Senegalschützen gab es offene Widersetzlichkeiten. Zwei in Frankreich 
stehende russische Brigaden, die den Gehorsam verweigerten, wurden 
in ihren Lagern umzingelt und durch Geschützfeuer zur Befehlsbefol¬ 
gung gezwungen. So gab es anfangs Juni, wie der französische Kriegs¬ 
minister Painlevé schreibt, zwischen Soissons und Paris nicht mehr als 
zwei verläßliche Divisionen1). 
Die französische Heeresleitung griff nun sehr tatkräftig durch; 
ISO Meuterer wurden zum Tode verurteilt, davon allerdings bloß 
23 hingerichtet2). Der neue Generalissimus Pétain ließ es aber auch 
an Belehrung der Irregeleiteten und an der Abstellung der Mißstände, 
die zu den Auflehnungen geführt hatten, nicht fehlen. Dadurch ver¬ 
mochte er bis zum Juli den Geist des Franzosenheeres wieder merklich 
zu bessern. Der Kriegsminister Painlevé gab der Kammer am 7. Juli 
das Versprechen, daß mit ehrgeizigen, unüberlegten und schlecht vor¬ 
bereiteten Angriffen ein Ende gemacht werden würde. Es glückte der 
französischen Heeresleitung aber auch, den durch die Meutereien her¬ 
beigeführten Schwächezustand zu verbergen. Was hätte geschehen kön¬ 
nen, wenn die Deutschen etwa zu Anfang Juni von den Vorgängen im 
französischen Heere Kenntnis erlangt hätten! Doch der sonst meist gut 
unterrichtete deutsche Nachrichtendienst erfuhr seltsamerweise von den 
Meutereien nichts. Sie blieben eines der wenigen wohlbehüteten Geheim¬ 
nisse des Krieges3). 
Bei diesem Zustand des Franzosenheeres war es nur natürlich, 
daß, als sich die Engländer anfangs Juni zum Angriff in Flandern 
anschickten und die Franzosen zur gleichzeitigen Teilnahme aufforder¬ 
ten, Pétain auf Anraten seiner Unterführer diese Angriffe erst für den 
Juli in Aussicht stellte. Ihm widerstrebte es überhaupt, sich vor dem 
Eintreffen der Amerikaner in ein größeres Angriffsunternehmen ein¬ 
zulassen. Er stimmte aber gerne einer Verlängerung der französischen 
Front nach Norden zu, um das britische Heer zu einem wuchtigen Stoß 
x) Painlevé, Comme j'ai nommé Foch et Pétain (Paris 1925), 132 ff. 
»-) Pal at, 433. 
3) Kühl, Weltkrieg, II, 99.
	        
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