Volltext: Das Kriegsjahr 1917 ; 6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ; (6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ;)

Widerstreben der russischen Truppen gegen einen Angriff 225 
des neuen Rußland geworden war, und von dem man sagte, er allein 
könne Rußland retten, an vielen Orten empfangen wurde, erweckte den 
Glauben, daß sich die russischen Soldaten vielleicht doch zu neuem, 
heldenmütigem Kampfe aufraffen würden. Allein die von den Massen 
Kerenski dargebrachten Huldigungen sowie die vielen Szenen, bei 
denen feierlich geschworen wurde, fürs Vaterland zu sterben, waren 
vielfach Schall und Rauch. Die russische Armee, vor allem der Bauer, 
wollte nicht weiterkämpfen. 
So war es trotz aufopfernder Bemühungen aller Befehlsstellen der 
7. und der 11. Armee bis knapp vor Beginn des Angriffes nicht gelungen, 
die gesamte Infanterie für den Angriff zu gewinnen. Beim VI. Korps 
erklärten die Soldaten, daß man wohl angreifen, im Falle des Mißlin¬ 
gens aber den Korpsstab töten werde. Vergeblich hatte Kerenski bei 
jeder Armee „Delegierte" eingesetzt, welche die Führer in der Auf¬ 
rechterhai tung der Manneszucht unterstützen sollten. Am 28. Juni 
mußte das II. Kavalleriekorps aufgeboten werden, um ein seit langem 
widerspenstiges sibirisches Regiment, das sich verschanzt hatte, zu ent¬ 
waffnen. Kerenski besuchte in diesen Tagen vor dem Angriff die als 
besonders unzuverlässig bekannte 2. Gardedivision. Die Rufe „Bour¬ 
geois", „Nieder mit dem Krieg", „Nieder mit allem" bewiesen, daß 
auch sein Einfluß auf die Fronttruppen kein allzu großer war. 
Kerenski hielt es für notwendig, daß die Offensive durch den zur 
Zeit in Petersburg tagenden ersten Allrussischen Kongreß der Arbeiter 
und Soldatenräte unterstützt werde. Am 25. Juni nahm auch der Kon¬ 
greß einen Beschluß über den Krieg an, worin von der Provisorischen 
Regierung eine Abänderung der Verträge mit den Verbündeten und 
der Verzicht auf die Eroberungspolitik gefordert wurde. Der Kongreß 
erklärte aber, die russische Demokratie sei verpflichtet, die Kampfkraft 
der Armee mit allen Mitteln zu fördern, so lange dem Krieg durch die 
internationalen Bemühungen der Demokratie kein Ende gesetzt sei; 
denn der Zusammenbruch der russischen Front würde eine Niederlage 
für die russische Revolution und einen schweren Schlag für die Sache 
der internationalen Demokratie bedeuten. Im übrigen war der Kongreß 
der Ansicht, daß die Frage der Offensive nur von rein strategischen 
Gesichtspunkten entschieden werden müsse1). 
1) Smilg-Benario, Von Kerenski zu Lenin (Wien 1927), 113 f. — Za- 
jontschkowskij, Feldzug 1917, 65 und 74. — Paléologue, 441 ff. — 
K n o X, II, 627 ff. — Das russische Heer von 1917 und die Revolution, 238. — Für 
diese Darstellung der Kerenski-Offensive wurde auch das Manuskript einer vom Hofrat, 
VI 15
	        
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