Volltext: Das Kriegsjahr 1917 ; 6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ; (6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ;)

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Der letzte Russenansturm 
Ostfront, Prinz Leopold von Bayern, Erzherzog Joseph und GFM. 
Mackensen mit Funkspruch an die gegenüberstehenden russischen Kom¬ 
mandanten eine Einladung zu Waffenstillstandsverhandlungen. Den be¬ 
sonders „infizierten" Divisionen sollten außerdem durch Parlamentäre 
offizielle Verhandlungsvorschläge überbracht werden. Auf beiden Wegen 
kam man nicht zum Ziele. Im Bereiche der Heeresfront Erzherzog Jo¬ 
seph entsandten die 7. und die 1. Armee am 19. Mai zahlreiche Parla¬ 
mentäre. Wohl fanden sie bei den jüngeren russischen Offizieren und 
bei der Mannschaft meist eine freundliche Aufnahme; doch suchten die 
höheren russischen Kommandos wie bisher die Annäherung mit allen 
Mitteln zu verhindern. Einzelne Unterhändler wurden mit Schüssen 
empfangen, andere gefangen genommen, einer während der Bespre¬ 
chung verwundet. Nur ein Parlamentär drang bis zum russischen 9. Ar- 
meekmdo. vor, wo er aber die ablehnende Antwort erhielt, es,sei Sache 
der Regierungen und nicht der Soldaten, Frieden zu schließen1). 
Auch im Bereiche des Oberbefehlshabers Ost und des GFM. Macken¬ 
sen hatten die Annäherungsversuche zur Gefangennahme und Verwun¬ 
dung von Unterhändlern geführt. Die zwiespältige Haltung der Russen 
kam besonders im Kampfabschnitt von Dünaburg zutage. Eine russische 
Offiziersabordnung erklärte, Gen. Dragomirow sei bereit, über einen 
Waffenstillstand zu verhandeln. Als der deutsche Unterhändler in Düna¬ 
burg vor dem Gen. Dragomirow erschien, gewann er sofort den Ein¬ 
druck, daß der russische General keineswegs für Verhandlungen zu 
haben sei. Es wurde nur zugesagt, einen Brief an die russische Regie¬ 
rung zu übernehmen, in dem sich der Oberbefehlshaber Ost zu Waffen¬ 
stillstandsverhandlungen bereit erklärte. Der deutsche Parlamentär, der 
am 14. Mai dieses Schreiben überbringen sollte, wurde nicht mehr hinter 
die russischen Linien gelassen. Ein russischer Fähnrich nahm zwar den 
Brief zur Weiterleitung in Empfang, doch blieb eine Antwort aus. 
War auch der Versuch, Verhandlungen mit höheren russischen Füh¬ 
rern anzuknüpfen, nicht geglückt, so war es doch bei vielen russischen 
Divisionen mit den Soldatenkomitees zur Vereinbarung einer Waffen¬ 
ruhe gekommen. Nun verbot Gdl. Alexejew, Parlamentäre zu empfan¬ 
gen und Verhandlungen zu führen, die als Verrat bezeichnet wurden. 
Gleichzeitig setzten die russischen Führer hohe Geldpreise für das Ein¬ 
bringen von Gefangenen und das Abschießen von Unterhändlern aus. 
Trotzdem war die Zahl der russischen Divisionen, die sich mit dem 
Gegner in Verhandlungen eingelassen hatten, bis Ende Mai auf 165 von 
x) Ronge, Kriegs- und Industrie-Spionage (Wien 1930), 273 ff.
	        
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