Volltext: Das Kriegsjahr 1917 ; 6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ; (6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ;)

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Der letzte Russenansturm 
Allein das russische Heer vermochte sich noch nicht aus seiner 
Tatenlosigkeit zum Kampfe aufzuraffen. Am 7. Mai meldete GdK. Brus- 
silow dem Höchstkommandierenden: „Die innere Verfassung der mir 
unterstehenden Armeen hat sich in letzter Zeit infolge der unaufhör¬ 
lichen Propaganda der Deutschen und auch durch das verderbliche 
Eindringen der Politik in die Truppen bedeutend verschlechtert, und ich 
muß gestehen, daß auf diese Weise, trotz der von allen Truppenkom¬ 
mandos ergriffenen Maßnahmen, der Zerfall der Armee droht." 
Der schwindende Glaube des Oberbefehlshabers der Südwestfront 
an eine siegreiche Zukunft veranlaßte den Höchstkommandierenden am 
11. Mai, dem Kriegsminister zu schreiben: „Ich hatte damit gerechnet, 
daß gegen Mitte Mai die schwere moralische Erkrankung, die unsere 
Armee ergriffen hat, soweit werde nachgelassen haben, daß wir zum 
Angriffe schreiten können und daß nach dem ersten Erfolge der ver¬ 
löschende kriegerische Geist der Truppen wieder aufleben werde." 
Der Brief schloß: „Wir machen alles, was wir können, um den Angriff 
durchzuführen, aber es steht zu befürchten, daß der allgemeine Zustand 
der Masse der Soldaten unseren guten Willen und unser aufrichtiges 
Streben zunichte machen kann." 
Vergeblich hatten die höheren Führer des russischen Heeres darauf 
bestanden, daß die Regierung die Rechte und Pflichten der Soldaten 
gesetzlich umschreibe. Gutschkow betraute mit dieser Aufgabe einen 
Ausschuß, dem in der Mehrheit Vertreter der Arbeiter und Soldaten 
angehörten. Unter ihrem Drucke kam nun ein Entwurf zustande, der 
nur von Rechten, aber nicht von Pflichten sprach. Allen Militärpflich¬ 
tigen sollte es darnach erlaubt sein, an jeder politischen, nationalen, 
religiösen, wirtschaftlichen und gewerkschaftlichen Organisation teil¬ 
zunehmen. Außerhalb des Dienstes war jedem Militärpflichtigen volle 
Redefreiheit zugestanden. Der militärische Gruß sollte abgeschafft 
und die Bestrafung der Militärpflichtigen durch ihre Vorgesetzten ver¬ 
boten werden. Sämtliche Armeeführer waren entschieden gegen die Ein¬ 
führung dieser „Deklaration der Soldatenrechte", die den schon bestehen¬ 
den Zustand gesetzlich anerkannt hätte. Alexejew erklärte, daß sie 
der letzte Nagel zum Sarge der russischen Armee sein würde. Der 
Deklaration wurde so große Bedeutung beigemessen, daß darüber im 
Hauptquartier in Mohilew am 13. Mai unter dem Vorsitze des Gdl. 
Alexejew eine Beratung stattfand, an der die Oberbefehlshaber der 
russischen Fronten, der am 3. Mai zum Gehilfen des Kommandanten 
der Rumänischen Front ernannte Gen. Schtscherbatschew und der rumä-
	        
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