Volltext: Das Kriegsjahr 1917 ; 6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ; (6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ;)

Zunahme der Indisziplin bei den Russen 
217 
und am 23. April ausnahmslos alle Soldaten im Alter von über 43 Jah¬ 
ren vom Militärdienst zu befreien. Die Masse der Entlassenen, die sich 
auf die Eisenbahnstationen stürzten, zerrüttete auf lange Zeit das 
Transportwesen. Aber nur dadurch, daß hunderttausende Soldaten in 
ihre heimatlichen Dörfer zurückkehrten, konnten einzelne Truppenteile 
an der Front, die unter besonders schlechten Nachschubverhältnissen 
litten, vom Hungertode bewahrt werden. 
Mit dem russischen Heere ging es weiter bergab. Die Munition war 
knapp, für Pferde gab es nur ein Pfund Hafer im Tag. Die Zahl der 
Fahnenflüchtigen und der sonstigen Drückeberger ging in die Millionen. 
Tausend Mann starke Ersatztransporte kamen mit nur wenigen hun¬ 
dert Leuten an der Front an. Die Eisenerzeugung war durch Einführung 
des Achtstundentages und wegen der Weigerung der Arbeiter, Über¬ 
stunden zu leisten, auf 40 v. H. gefallen. An der Front nahm die Kriegs¬ 
müdigkeit zu. Abordnungen der Sowjets erschienen bei Riga in den 
Stellungen der 5. Armee. In Dünaburg tauchten Matrosen und Arbeiter 
aus Kronstadt zur Aufklärung auf. Man ermutigte die Soldaten zu 
Verhandlungen mit dem Gegner. Arbeiterabordnungen besuchten die 
deutschen Schützengräben, und Soldatenkomitees verteilten Prokla¬ 
mationen. Die Disziplinargewalt der Vorgesetzten wurde vom Kriegs¬ 
minister eingeschränkt, und den Soldatenkomitees das Recht zu Ver¬ 
handlungen mit den politischen Parteien erteilt. Damit hoffte man die 
Kampfbegeisterung zu heben, erreichte aber das Gegenteil: eine wei¬ 
tere Zunahme der Indisziplin. 
Die Bolschewiken setzten ihre Wühlereien an der Front und in 
der Heimat fort. In der breiten Masse des Volkes wuchs die Auflehnung 
gegen Gutschkow und Miljukow, die sich zu den imperialistischen 
Kriegszielen der Entente bekannten. Schießereien und Umzüge der 
Sowjets blieben an der Tagesordnung. Die bolschewistische Presse for¬ 
derte einen Friedensschluß ohne ,,Annexionen und Kontributionen", 
was weiterhin ein noch oft berufenes Schlagwort werden sollte. Dagegen 
suchten sozialistische Führer der Ententeländer das russische Volk für 
die Verwirklichung der demokratischen Ideale zum Kampfe gegen die 
Mittelmächte ¡anzuspornen. Gleichzeitig griffen die Ententeregierungen 
im Mai zu wirksameren Mitteln. Sie drohten, ihre Kriegsmaterialliefe¬ 
rungen und Kredite einzustellen, wenn nicht bald die Manneszucht im 
Heere wieder hergestellt werde und Rußland nicht den Beweis dafür 
erbringe, daß seine Armee wieder zu einer neuen, entscheidenden Offen¬ 
sive, „zum Siege", fähig sei.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.