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Die Mai- und Junischlachten im Südwesten
nicht um einen Schritt zurückgewichen war, dem feindlichen Angriffe
mit voller Zuversicht entgegen. Das Korps hatte drei Divisionen mit
25 Bataillonen in der Front und 8 Bataillone als Korpsreserve ausge¬
schieden, 5 von der 10. ID. und 3 von der 7. Division. Es konnte auf
Verstärkung rechnen.
Es war ein Mißgeschick, daß die ursprünglich für den 15. Mai vor¬
gesehene, dann aufgeschobene Ablösung der 28. ID. durch die 10. ID.
erst am 21. und 22. nachts erfolgte. Als am Morgen des 23. Mai äußerst
heftiges Geschütz- und Minenwerferfeuer einsetzte, befanden sich noch
zwei Bataillone und das Kommando der 28. ID. im Frontabschnitt, so
daß FML. Schneider Edi. v. Manns-Au die Führung behielt. Auch bei
der 7. ID. war die Ablösung des IR. 37 durch das IR. 38 gerade in der
Nacht auf den 23. Mai erfolgt, in der die italienische Artillerie das
Einleitungsfeuer begann.
Die Beschießung nahm mit jeder Stunde zu und erreichte alsbald
eine auch auf diesem Kriegsschauplatz noch nie gekannte Stärke1).
Unter dem Schutze dieses Feuers arbeitete sich die italienische Infan¬
terie vor. Bei Kostanjevica schien es, daß sie schon vormittags zum
Angriff schreiten wolle. Dies löste Sperrfeuer aus. Von Mittag an war
auch die Artillerie des Verteidigers in voller Tätigkeit. Das ganze
Karstland dröhnte und stöhnte im Donner der Geschütze und im Kra¬
chen der Geschosse.
Um 4h nachm. erfolgte der Großangriff der Infanterie. Gegen den
rechten Flügel und die Mitte des k. u. k. VII. Korps liefen die 63. und
die 22. ID. Sturm. Ihre Angriffe zerschellten — so wie acht Tage vor¬
her — teils im Artillerie- und Maschinengewehrfeuer, teils im erbitter¬
ten Flandgranatenkampf. Wo die Italiener in die vorderste Stellung
einzudringen vermochten, so auf der Höhe -<¡^379, wurden sie durch
sofort einsetzenden Gegenstoß zurückgeworfen. Anders bei Kostanjevica.
Hier gelang der verstärkten 4. ID. gegen die 41. HID. ein glatter Durch¬
bruch. Die Italiener drangen in den zerschossenen Ort ein und faßten
auf der Kirchhofhöhe festen Fuß. Weiter kamen sie allerdings nicht,
*) Für ein Urteil über die Heftigkeit des Feuers ist neben der mitgeteilten
Anzahl an schweren Waffen auch deren Feuergeschwindigkeit bedeutsam. Der öst.-
ung. Artillerie war auf Grund reicher Erfahrungen vorgeschrieben, daß im „leb¬
haften Dauerfeuer" jedes leichte oder mittlere Geschütz 30 bis 40 Schuß in der
Stunde abgeben könne. Die italienische Artillerie dürfte mit der gleichen Feuer¬
geschwindigkeit geschossen haben. Demnach mochten während des zehnstündigen
Vorbereitungsfeuers mehr als eine halbe Million Artilleriegeschosse und Minen auf
die öst.-ung. Stellungen 'eingefallen sein.