Volltext: Das Kriegsjahr 1917 ; 6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ; (6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ;)

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Winter und Frühjahrsanfang 1917 
Stürmer gestürzt (V. Bd., S. 717). Der Mangel an Nahrungsmitteln in 
den Städten lieferte willkommene Agitationsmittel zur Aufhetzung 
des städtischen Proletariats. Die Redner der äußersten Linken übten 
schärfste Kritik an den Maßnahmen der Regierung, wandten sich gegen 
die aussichtslose Fortsetzung des Krieges und verlangten die Beseitigung 
der reaktionären Herrschaft des Zaren und seiner Generale. 
Um die Reformbewegungen nicht aus der Hand zu verlieren und 
um einer Machtergreifung durch die Radikalen vorzubeugen, machten 
sich die bürgerliche Mitte und die gemäßigten Sozialisten zum Sprach¬ 
rohr weitgehender Wünsche. Auf der anderen Seite ließen die Vertreter 
der Reaktion den Zaren nicht aus den Händen. Der englische Bot¬ 
schafter Sir George Buchanan erhob dagegen wiederholt Vorstellungen; 
er legte noch Ende Jänner dem Zaren eine Änderung seiner Politik nahe. 
Der Zar konnte sich aber zu Reformen nicht entschließen. Er wurde 
auch aus dem Großen Hauptquartier gewarnt; denn das Heer hatte 
bereits das Vertrauen zur kaiserlichen Regierung verloren. Die Heimat¬ 
briefe der Soldaten waren angefüllt mit Äußerungen über die „deutsche" 
Zarin. Die Soldaten würden nicht mehr kämpfen, wenn die Anarchie 
im Innern des Reiches zunehme. Die Ermordung des einflußreichen 
Wundermönches Rasputin am 30. Dezember und das Unterbleiben einer 
Verfolgung der Mörder warf ein Schlaglicht auf die ungesunden Ver¬ 
hältnisse am Zarenhofe. Die Gärung des Jahres 1915 war Ende 1916 
schon zu einer ausgesprochen aufrührerischen Stimmung geworden, 
die jeden Augenblick zur Revolution führen konnte. 
Zu Beginn des Jahres 1917 nahmen die Teuerungsunruhen in den 
russischen Großstädten überhand; Hunger quälte das Land. In den 
ersten Märztagen traten in Petersburg die Arbeiter in den Ausstand. Ein 
Teil der Petersburger Garnison weigerte sich, auf die Streikenden zu 
schießen. Der Dumapräsident Rodsjanko ersuchte den Zaren um die 
Bildung einer neuen Regierung. Als Antwort vertagte Nikolaus II. am 
10. März die Duma, worauf diese am 12. beschloß, den kaiserlichen 
Befehl zu mißachten und beisammenzubleiben. Am gleichen Tage noch 
wurde ein „Provisorischer Ausschuß zur Aufrechterhaltung der Ord¬ 
nung" gebildet, in dem Rodsjanko, Gutschkow, Miljukow und Kerenski 
die führenden Männer waren. Gleichzeitig trat neben diesem proviso¬ 
rischen Exekutivkomitee der vertagten Duma ein „Provisorischer Voll¬ 
zugsausschuß der Sowjets und Arbeiterdeputierten" zusammen. Die 
überwiegende Mehrheit der Petersburger Garnison ging zu den Revo¬ 
lutionären über. Vergebens suchte das Dumakomitée durch Befehle
	        
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