Widerspruchsvolle Weisungen an die italienische 1. Armee
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fangs November 1915 seine nächsten Absichten gemeldet. Er wollte in
den Judicarien die Sperre von Lardaro angreifen und die Val dei Concei
gewinnen, im Etschtal das Becken von Rovereto besetzen und dieses
durch Eroberung der Berggipfel Biaena, Creino und Finocchio sichern,
schließlich in der Val Sugana gegen die Befestigungen von Levico und
Panarotta vorstoßen. Diesen Vorstoß empfahl er besonders für den Fall,
als das bereits eingeleitete Unternehmen zur Besetzung des Cadin joches
und des Rollepasses in den Fassaneralpen einen günstigen Verlauf nehmen
sollte. Kaum zwei Wochen später mußte der Armeeführer, GLt. Brusati,
melden, daß die starken Schneefälle in den Bergen das gegen die Fassaner¬
alpen vorbereitete Unternehmen wie auch einen auf den Hochflächen von
Folgaria und Lavarone geplanten Angriff verbieten. Damit fielen auch
die übrigen Pläne schon in sich zusammen, bevor beim Armeekmdo. die
4 allgemeinen Weisungen für den Winter eintrafen. Diesen Weisungen
gemäß sollte die 1. Armee weiterhin in der Abwehr verharren, ihre
Stellungen bestens ausbauen, den Gegner in Atem halten, aber nur solche
örtliche Unternehmen durchführen, die ihr gestatteten, den Zug der vor¬
dersten Linie zu verbessern. In seltsamen Widerspruch zu dieser be¬
scheidenen Aufgabe wurde die Armee jedoch zugleich aufgemuntert,
die Linie Borgo—Cadinjoch—Cavalese zu gewinnen, da nach Meinung
des Oberkommandos in den Fassaneralpen und im Fleimstale nur vier
gegnerische Bataillone mit etwa zehn Geschützen ständen. Außerstande
diesem Wunsche zu entsprechen, überließ das Armeekmdo. seinen Unter¬
führern freie Wahl in ihrer weiteren Tätigkeit.
Demzufolge herrschte schon von Ende November an den ganzen
Winter über und bis ins Frühjahr hinein an der Westfront von Tirol
winterliche Ruhe. Wohl gab es da und dort zeitweise Artilleriekämpfe;
doch der Kanonendonner verhallte in den verschneiten Bergen ebenso
rasch wie das Gewehrgeknatter ausschwärmender Erkundungsabteilungen.
In den Judicarien versuchte die italienische 6. ID. die Eroberung
des Mt. Nozzolo und des Mt. Cadria. Nach mehrtägiger kräftiger Be¬
schießung der übrigens zum größten Teil nicht mehr armierten Sperr¬
werke von Lardaro und der über die vorgenannten Berge gezogenen
Verteidigungsstellung griffen am 9. Dezember etwa zwei Bataillone den
der österreichischen Hauptstellung vorgelegten Stützpunkt auf dem
Mt. Vies umfassend an. Sie erreichten ihr Ziel nicht, erlitten aber starke
Verluste, Da jedoch die Möglichkeit nahelag, daß die schwache Besatzung
der Vorstellung abgeschnitten werden könnte, ließ der Abschnittskom¬
mandant, Obst. Spiegel, den Mt. Vies in der Nacht auf den 10., unbemerkt