340
Die Eroberung Serbiens
Wenn Conrad hier auf die nicht sehr glückliche Verwendung des
Alpenkorps zu sprechen kommt, so haben ihm die Ereignisse sicherlich
recht gegeben, so sehr die Ungeduld der DOHL., den Feind beiderseits
von Orsova so rasch wie möglich von der Donau zurückzutreiben, an sich
begreiflich war. Falkenhayn zögerte denn auch nicht, seinem österreichi¬
schen Kollegen in der Erwiderung vom 31. unumwunden zuzugestehen:
„Wenn Eure Exzellenz schließlich meinen, das Alpenkorps wäre in Bos¬
nien am Platz gewesen, so teile ich diese Ansicht durchaus." In Pleß
wurde wohl die Verlegung des divisionsstarken Korps von Báziás nach
Visegrad erwogen; sie hätte jedoch, berechnete man bei der DOHL.,
17 Tage gedauert und wurde daher unterlassen.
Wären das Alpenkorps und allenfalls noch die 10. GbBrig., die erst
sehr spät in die Kampffront des XIX. Korps einrückte, von Haus aus
über das Ende der bosnischen Ostbahn nach Visegrad geleitet worden,
so hätten diese für den Gebirgskrieg besonders geeigneten und aus¬
gerüsteten Heereskörper, die 62. ID. mitreißend, Bedeutendes, ja viel¬
leicht sogar Entscheidendes zu vollbringen vermocht. Da zuletzt auch
der Verlauf der Isonzökämpfe eine Schwächung der Armee Boroevic
nicht mehr gestattete, sollte die Angriffsrichtung über Visegrad trotz ihrer
Wichtigkeit auch weiterhin das Stiefkind der Führung bleiben. Die Ver¬
nachlässigung beim Aufmarsch ließ sich bei der schlechten Bahnlage und
den noch ungünstigeren Weg Verhältnissen eben nicht mehr gutmachen.
Der solcherart dem Gedanken eines Vernichtungssieges nicht voll
entsprechende Ansatz der Kräfte hatte, darüber kann kaum ein Zweifel
herrschen, seine letzte Ursache doch in der grundsätzlichen Einstellung
des deutschen Generalstabschefs zu den Feldzugszielen. Neigte er über¬
haupt mehr zu einer „Ermattungs-" als zur „Vernichtungsstrategie" hin,
so war ihm der Balkan schon gar ein Nebenkriegsschauplatz, auf dem
man sich mit der Erreichung beschränkter Ziele begnügen konnte. Diese
Einstellung zu den Grundfragen des Krieges lebte im Unterbewußtsein
Falkenhayns sicherlich auch dann noch fort, als er — beiläufig seit dem
6. November — dem von Conrad verfochtenen Doppelziel, mit den Serben
und der Orientarmee Sarrails abzurechnen, offiziell zustimmte. Dazu
kamen die zunehmenden Schwierigkeiten dieses „ekelhaften" Feldzuges,
wie sich Falkenhayn einmal Conrad gegenüber ausdrückte, denen der
Gedankenflug des öst.-ung. Generalstabschefs in einzelnen Fragen, wie
der einer unmittelbaren oder mittelbaren Verstärkung der bulgarischen
2. Armee durch deutsche Truppen der 11. (S. 292 und 312), ja wirklich
nicht immer Rechnung getragen haben mochte.