Vergleich mit Conrads ursprünglichem Kriegsplan
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denken sein, daß es kaum allein auf den früheren Einsäte der durch
Falkenhayn allmählich beigestellten Verstärkungen angekommen wäre,
sondern auch auf eine raschere Bewältigung der Schwierigkeiten im
Nachschub, die auf diesem Kriegsschauplatze und bei den Zerstörungs¬
methoden des Feindes von Anbeginn besonders groß waren und mit
jedem Schritt von der Grundstellung weg noch größer wurden. Wie dem
aber auch sei — den Russen gelang es jedenfalls, den durch die Sto߬
richtung Mackensens bedingten außerordentlich großen Gefahren zwar
unter Opfern, aber doch in geschlossener Front zu entrinnen, so daß
sich Ende Juni 1915, rein strategisch betrachtet, im Osten eine dem
Sommer 1914 nicht unähnliche Lage ergab, die naturgemäß auch die
Führung der Verbündeten vor ähnliche Aufgaben stellte wie vor Jahres¬
frist die öst.-ung. Heeresleitung. Und man kann wahrnehmen, daß auch
Entschlüsse gefaßt wurden — allerdings gegenüber einem mehrfach aufs
Haupt geschlagenen Feinde — wie sie seit den Zeiten des FM. Heß zum
begründeten Rüstzeug jedes kaiserlichen Generalstabes gehörten und
nicht minder durch Conrad bei Kriegsbeginn gefaßt worden sind1).
Es mochte dem öst.-ung. Generalstabschef einige Befriedigung gewähren,
zu sehen, wie jetzt der Krieg doch die Bahn einschlug, die er ihm längst
und immer wieder aufs Neue zu weisen versucht hatte.
Dabei drängten sich, als Mackensens Heeresgruppe gegen Norden
angesetzt wurde, in die Erörterungen der Heeresleitungen auch wieder
die beiden grundlegenden Fragen ein, die beim Einleitungsfeldzug des
öst.-ung. Nordheeres entscheidend gewesen waren: die Fragen, wie der
Schutz des Hauptangriffes gegen Osten hin zu bewerkstelligen, und wie
das Zusammenwirken zwischen den galizischen und den ostpreußischen
Streitkräften einzurichten wäre. Die erste der beiden Fragen löste Con¬
rad zu Anfang Juli zunächst noch dahin, daß er die unmittelbar östlich
und südöstlich von Lemberg kämpfenden Armeen an den oberen Bug
und an die Zlota Lipa vorstoßen ließ. Gegenüber dem Vorschlage
Conrads, den Nordstoß Mackensens in weiterer Folge durch eine be¬
wegliche Flankendeckung zu sichern, drang Falkenhayn mit der Auf¬
fassung durch, daß es verläßlicher sein werde, hinter der Ostflanke
Mackensens einen von Tag zu Tag sich gegen Norden verlängernden
Schützengraben zu ziehen.
Unterdessen war Mackensens Heeresgruppe schon in der ersten
1) Bd. I (2. Aufl.), 12 ff. ; Bd. II, 552; dazu auch K is z ling, FM. Conrads Kriegsplan
gegen Rußland (Mil. wiss. Mitt., Jhrg. 1925, 469 ff.) und Glaise-Horstenau, Franz
Josephs Weggefährte (Lebensbeschreibung Becks, Wien 1930), 261 ff.