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Der Feldzug von Brest-Litowsk
artillerie. Schon die Gefangenenaussagen, ferner das Ausbleiben eines
Gegenangriffes und die Fliegererkundung am 3. August ließen ziemlich
sicher vermuten, daß die Räumung der Festung bevorstand. Kövess wies
daher seine Truppen an, beim Erkennen eines feindlichen Rückzuges
sogleich zuzugreifen. Daneben wurde die Fortsetzung des gewaltsamen
Angriffes, diesmal von Süden her durch die 16. ID., weiter vorbereitet.
Dazu sollte es aber nicht mehr kommen, denn die Gesamtlage nötigte
die russische Führung zu dem schon lange vorgesehenen Aufgeben des
„vorderen Kriegsschauplatzes" (S.610). Der Gruppe des Gen. Klembowski
war es nicht gelungen, die Streitkräfte des GO. Woyrsch vom rechten
Weichselufer zu vertreiben1), und über die 3. und die 13. Armee errang
Mackensen soeben neue Erfolge. Mit dem noch zu erörternden Entschluß
Alexe je ws vom 3. August, seine Armeen zurückzunehmen, wodurch die
2. das linke Weichselufer samt Warschau vom 4. auf den 5. preisgab,
mußte auch Iwangorod aus dem Frontverlauf ausscheiden2) (S. 611),
ohne es auf die Verteidigung der allerdings veralteten Forts auf dem
linken Ufer ankommen zu lassen, da die 4. Armee ihre Rückbewegung
nach der 2. zu richten hatte.
In der Nacht auf den 4. vernahmen die Belagerer von Iwangorod
zahlreiche Sprengungen im Festungsbereich; Brände flammten auf. Am
Morgen waren die russischen Stellungen verlassen, und die Verteidiger
auf die rechte Stromseite abgezogen. Beide siebenbürgische Divisionen
stießen nach Besetzung der Forts bis ans Ufer vor; das jenseitige hielt
der Feind, der die Brücken zerstört hatte und alle Übergangsversuche
im Bereiche der Festung scharf abwies.
Nördlich von Iwangorod hatten die auf dem östlichen Weichselufer
befindlichen deutschen Truppen, denen weiteres Vordringen vorgezeichnet
war, gegen den auf etwa 68 Bataillone geschätzten Feind noch immer
einen schweren Stand. Sie mußten, da Falkenhayns Anregung vom
1. August, sie durch das k. u. k. VIII. Korps der 4. Armee zu verstärken,
von Conrad unter Hinweis auf den noch sehr tätigen Widerstand des
Feindes am unteren Wieprz abgelehnt worden war, am 3. lediglich zur
Behauptung des gewonnenen Brückenkopfes angewiesen werden. Nach
dem Falle von Iwangorod aber zog GO. Woyrsch, einer Ermächtigung
durch die k. u. k. Heeresleitung zuvorkommend, die 35. ID. eiligst nach
Kozienice heran, indes die 16. ID. die Weichselsicherung zu besorgen hatte.
1) Nesnamow, IV, 83.
2) Z a j o n t s c h k o w s k i j, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 335ff. ; D a-
n i 1 o w, 528 f.