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Der Feldzug von Brest-Litowsk
Kenntnis erhalten hatte und auch die der Armeemitte gegenüberstehenden
Russen der Zahl nach für unterlegen hielt, versprach es sich von einem
energischen Nachstoßen einen großen Erfolg. Hiezu sollten die Gruppe
Roth im Angriffsstreifen westlich des Kosarzewkabaches und beiderseits
der nach Lublin führenden Straße bis in die Linie Osmolice—Borzechow,,
das X. und das VIII. Korps bis Opole und Kamien vordringen. Leistete
der Russe aber auch am 5. Juli hinter der Wy£nica noch einmal Wider¬
stand, dann war er durch gemeinsamen Angriff der beiden letztgenannten
Korps zu werfen. Die Verbindung zum linken Flügel der 11. Armee hatte
das XVII. Korps herzustellen, indem es mit dem rechten Flügel auf
Antoniówka, mit dem linken auf Tuszów vorging.
Am 4. Juli spät nachts kündeten abermals russische Funksprüche
dem 4. Armeekmdo., daß der Gegenstoß je einer feindlichen Infanterie-
und Reiter di vision gegen Urzçdow bevorstehe. Das Korps Martiny er¬
hielt diese bedeutsame Meldung um Mitternacht. Sie drang wegen Mangel
an Fernsprechverbindungen jedoch nicht mehr rechtzeitig bis zu den
Truppen vorderster Linie durch.
Die Mitte der 4. Armee hatte sich am 4. Juli abends bis auf einen
Tagmarsch der Bahnlinie Lublin—Cholm genähert und berührte da¬
durch einen Lebensnerv der russischen Nordwestfront. In den bisherigem
Kämpfen bei Krasnik hatte sich aber auch die Kampfkraft des XV., des
IX. und des X. Russenkorps in empfindlichem Maße verbraucht. „Wenn
Ihnen die Lage der 3. und der 13. Armee nicht bekannt ist," berichtete
Alexejew am 4. Juli dem Höchstkommandierenden, „so muß ich Ihnen mit¬
teilen, daß sie den Ständen nach sehr schwach und bis zum äußersten er¬
müdet sind und daß sie ernsten Widerstand nicht mehr leisten können. Das
X. Korps zählt nicht mehr als 4000 Gewehre und fast keine Offiziere1)."
In dieser bedrängten Lage erbat Gen. Alexejew vom Höchstkom¬
mandierenden umfassende Weisungen für die ganze Nordwestfront und
erließ uinter dem Zwange der Verhältnisse selbständig bereits am 4. Juli
Verfügungen an seine Heeresfront mit dem einzigen Ziele, die 3. und
die 13. Armee durch Reserven zu stützen. Um die hiefür erforderliche
Zeit zu gewinnen, hatte die 3. Armee in den seit langem vorbereiteten
Stellungen von Niedrzwica Mala—Bychawa und weiter hinter der 261-
kiewka, die 13. Armee hinter der Wolica „für einige Tage dem Drucke
des Feindes den hartnäckigsten Widerstand entgegenzusetzen 2)". Von der
russischen 4. Armee und der auf das Südufer der Pilica herüberreichenden
1) Zajontschkowskij, Der Bewegungskrieg 1914 und 1915, 325.
2) Nesnamow, IV, 70.