576
Der Feldzug von Brest-Litowsk
Die Preisgabe der San-Tanewlinie durch die Russen
(29. und 30. Juni) t
Durch das scharfe Nachdrängen der deutschen 11. und des rechten
Flügels der k. u. k. 4. Armee wurde die Aufstellung der Russen am Tanew
überflügelt. Für ihre 3. Armee gab es daher in der Flußstellung mit der
Sumpf zone im Rücken kein Halten mehr. In der Nacht zum 29. trat
sie den sorgfältig vorbereiteten Rückzug auf die das Tanewgebiet im
Norden und Nordosten umsäumenden Höhen an.
Als die Truppen Joseph Ferdinands am 29. früh des Abzuges der
Russen gewahr wurden, setzten sie im Sinne der bereits ergangenen, sehr
eingehenden Weisungen des Armeekmdos. zur Verfolgung an und durch¬
schritten auf denselben Wegen, auf denen zehn Monate vorher die Armee
Dankl den Anmarsch zur Schlacht bei Krasnik vollführt hatte, in einem
nur durch kurze Rasten unterbrochenen Tag- und Nachtmarsche das.
breite waldige Sumpfgelände. Am 30. früh vermochte die 4. Armee den
Höhenrand zu ersteigen, ohne in diesem zur Verteidigung hervorragend
geeigneten, die Ausgänge der Tanewregion beherrschenden Abschnitt auf
ernsten Widerstand zu stoßen. Die Auffassung des 4. Armeekmdos., daß
die Hauptkraft der russischen 3. Armee im Rückzüge nach Lublin sei,
schien sich zu bewahrheiten. Schwache feindliche Nachhuten waren bald
vertrieben. Am 30. abends erreichten die vorderen Divisionen des VIII.y
des X., des IX. und des XVII. Korps die Linie Swieciechów—Stany—Pi-
latka—Goraj—Gorajec. Das XIV. Korps war hinter dem rechten Armee¬
flügel nach Bilgoraj gefolgt. Aufklärungsabteilungen der 4. Armee stellten
nun fest, daß die vor mehreren Tagen von Fliegern auf dem Nordufer
der Wyznica und des Por erkannten russischen Verschanzungen sowie
südlich davon befindliche Vorstellungen besetzt waren. Weiters ergab die
Luftaufklärung östlich von Józefów und Solee große Truppenlager, in
denen die Heeresleitung zutreffend das vom westlichen Weichselufer
herübergezogene XXXI. Korps vermutete (S. 566).
Bei der 11. Armee verfolgten am 29. die vier linken Korps die
Russen in raumgreifendem Marsche zumeist kampflos bis in die Linie
Obrocz—Lipsko—Labunie—Tyszowce—Telatyn. Das Korps Kneußl hatte
sich den Weg zur Vorrückung noch in der Nacht auf den 29. durch Zu¬
rückwerfen der bei Kuliczków und Sielec zähe haltenden Russen ge¬
öffnet; es stand am Abend dieses Tages kämpfend vor den Solokija-
übergängen bei Beiz und Waniów. Das Beskidenkorps war mit der Masse
auf den stark ausgebauten Brückenkopf bei Dobrotwór gestoßen, den zu