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Der Karpathenwinter 1914/15
Mlawa anzuschicken. Die Weisungen, die Iwanow am 9. Dezember (Bd. I,
S. 800) für Dimitriews Angriff in Westgalizien ausgegeben hatte, er¬
wiesen sich nach dem Anfangserfolge an der Stradomka ebenso unaus¬
führbar wie der beabsichtigte Schlag Brussilows gegen die über die Kar¬
pathen vorbrechenden Kolonnen der Armee Boroevic.
Nikolai Nikolajewitsch lud die beiden Heeresfrontkommandanten zur
Beratung der zu ergreifenden Maßnahmen fürdenlS.nachBrest-Litowsk1).
Hier wurde beschlossen, mit der 1., der 2., und der 5. Armee in die vor¬
bereiteten Stellungen hinter der Bzura und Rawka auszuweichen, um mög¬
lichst weit westlich von Warschau sowie rechts der Weichsel in der Rich¬
tung auf Mlawa einen ausgedehnten Operationsraum zu behaupten. Ebenso
hatten sich die Armeen der Südwestfront vom Gegner abzusetzen. Durch
diese ausgiebige Frontverkürzung konnten Kräfte erspart werden, die
sowohl zur Verstärkung der 10. Armee in Ostpreußen dienen, als auch
Brussilow zu einem Schlage gegen Boroevic befähigen sollten.
Gen. Iwanow verfügte hierauf, daß sich die 4. und die 9. Armee
zwischen Tomaszów—Chçciny und hinter der Nida festzusetzen hatten.
Die 9. Armee hatte wenigstens zwei Divisionen, womöglich aber zwei
Korps als Reserven bei Chçciny—Stopnica—Staszów zu versammeln. Die
3. Armee erhielt den Befehl, an den Dunajec und die Biala zurückzu¬
gehen. Dort sollte sie sich binnen zwei Tagen für eine neue Operation
bereithalten; ihr wurden von der 9. Armee zwei Reservedivisionen über
die Weichsel zugeschoben. Die 8. Armee hatte zur Sicherung dieses Rück¬
zuges ein Vordringen der Armee Boroevic gegen die Bahn Tarnów—Jaros-
lau nachdrücklich zu verzögern. Die 11. Armee sollte die Einschließung
von Przemysl aufrechthalten, dabei aber eine Vorrückung des Gegners
über Dynów—Dubiecko gegen Przeworsk—Jaroslau verhindern und mit
ihrem linken Flügel bereit sein, Brussilow zu unterstützen, sobald etwa
öst.-ung. Kräfte gegen seine Ostflanke von Sanokund Lisko her vorgingen.
Das Zusammenwirken der 3. ujid der 4.Armee bis zum
17. Dezember
Diesen Entschlüssen gemäß zogen sich die Russen seit dem grauen
Winterabend des 14. Dezember im Weichselbogen nach Osten zurück. In
Galizien dagegen hielt Gen. Iwanow mit traditioneller Zähigkeit denFront-
*) Danilow (Daniloff), Rußland im Weltkriege 1914—1915 (deutsche Aus¬
gabe, Jena 1925), 383; A. Nesnamow, Strategische Skizzen (in russischer Sprache,
Moskau 1922), III, 16 ff und M. Boncz-Brujewitsch, Unser Verlust Galiziens
im Jahre 1915 (in russischer Sprache, Moskau 1921), I, 13 ff.