Volltext: Vom Ausklang der Schlacht bei Limanowa-Łapanów bis zur Einnahme von Brest-Litowsk 2 : Das Kriegsjahr 1915 1 [Textbd.] (2 : Das Kriegsjahr 1915 ; 1 ; [Textbd.] ;)

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Die Lage um die Jahreswende 1914/15 
Waffendienst Einberufene trugen wohl auch Trauerabzeichen. Die ur¬ 
sprünglich nur von einer dünnen Schichte der städtischen Intelligenz aus¬ 
gehende Feindschaft gegen Österreich griff tiefer in die Massen, als sich 
die Russen der Festung Krakau und damit den Ländern der Wenzels¬ 
krone näherten. Proklamationen des Großfürsten Nikolai und seltsamer¬ 
weise auch des Generals Rennenkampf wurden in aller Heimlichkeit 
weitergegeben, allenthalben rüstete man sich zum Empfang des „Be¬ 
freiers". Damals wurden die ersten Todesurteile wegen Hochverrates 
gefällt. Solches waren die Eindrücke und Erlebnisse, mit denen der 
tschechische Reservemann in die Front kam, um dort die durch den 
Krieg gerissenen weitklaffenden Lücken zu füllen1). 
Aber auch von der Feindseite her winkte die Verlockung. Tschechische 
Kolonisten hatten gleich zu Kriegsbeginn mit der Aufstellung von Für¬ 
sorgevereinen zugunsten der slawischen Gefangenen begonnen. Die zahl¬ 
reichen Gefangenen, die alsbald eingebracht wurden, „diese Armee von 
Brüdern, die mit dem Schwerte bezwungen war", sollten nunmehr, wie 
es in den Zeitungen hieß, „auch geistig erobert werden". Gleichzeitig 
wurde an die Errichtung tschechischer Legionen geschritten, deren Ver¬ 
wendung als Kampftruppe der Zar zwar noch nicht zuließ, deren erste 
Abteilungen aber schon im Winter als Kundschafter und Propagandisten 
an der Front auftauchten. Der Heeresleitung kamen auch allerlei Mel¬ 
dungen zu, daß jeder Gefangene, der sich als Mitglied des nationalen 
Turnvereines der Sokoln (Falken) legitimieren konnte, eine bevorzugte 
Behandlung erhoffen durfte. Wie dem auch war, so ist im allgemeinen 
doch festzustellen, daß die Fälle unmittelbaren Einvernehmens mit dem 
Feinde seltener gewesen sind, ¡als man annahm. Die Folgen der politischen 
Einflüsse traten freilich dennoch zutage, wie es sich besonders kraß beim 
IR. 36 und beim SchR. 30, die aus den nationalsozialistischen und anti¬ 
militaristischen Bezirken Jungbunzlau und Hohenmauth stammten, am 
26. Oktober bei Jaroslau zeigte. Wirkte die politische Zersetzung nicht 
unmittelbar, so drückte sie doch auf die Widerstandskraft der betreffen¬ 
den Regimenter. * 
Nicht so oft, aber gleichfalls nicht ganz unbedenklich äußerten sich 
ähnliche Erscheinungen bei den Truppen mit vornehmlich serbischer 
Mannschaft. Serben bosnischer Truppenteile wurden zu Kriegsbeginn zu 
Arbeiterabteilungen zusammengezogen und außerhalb der Kampfzone 
verwendet. Sie baten, wieder zum Regiment eingeteilt zu werden. Man 
willfahrte ihnen, doch benützten viele die erstbeste Gelegenheit, um zum 
1) Molisch, Vom Kampf der Tschechen um ihren Staat (Wien 1929), 33f.
	        
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