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Von Gorlice bis Lemberg
Entschlüsse, die von den beiden Generalstabschefs am 12. Mai nach¬
mittags zu Pleß gefaßt und abends von Teschen aus in Befehlsform weiter¬
gegeben wurden. Von den in Betracht kommenden Hauptstoßrichtun¬
gen: südlich von Przemysl oder über Jaroslau oder über den unteren
San, entschied man sich für die mittlere als die kürzere.
Demgemäß lauteten die Befehle, die am 12. abends vom k. u. k. AOK.
erlassen wurden. Die 11. Armee hatte wieder als Stoßkeil zu wirken^
indem sie bei entsprechender Deckung gegen Przemysl den Feind beider¬
seits von Jaroslau über den San werfen sollte. Der 4. Armee wurde
aufgetragen, nördlich der 11. das rechte Sanufer zu gewinnen, dabei
aber auch weiterhin den Flankenschutz gegen den San-Weichselwinkel
zu besorgen. Die 3. Armee war mit ihrem Nordflügel gegen die West-
und Südfront von Przemysl vorzuführen und sollte den Platz womöglich
im Handstreich nehmen; im Falle dies nicht ging, den gewaltsamen An¬
griff vorbereiten. Der rechte Flügel hatte der russischen San Verteidigung
über Dobromil—Nowe Miasto—Mosciska in die linke Flanke zu fallen.
Die 2. Armee sollte über Chyrów, Sambor und Horodyszcze gegen Nor¬
den aufschwenken und hiebei starke Kräfte hinter dem rechten Flügel
zu einem etwaigen Eingreifen bei der Südarmee bereitstellen, die, nach
rechts hinten gestaffelt, mit dem linken Flügel über Drohobycz vorzu¬
dringen hatte. Der 7. Armee wurde die Behauptung der von ihr inne¬
gehabten Räume vorgezeichnet, endlich den Divisionen nördlich der
Weichsel die Verfolgung des weichenden Feindes in nordöstlicher und
östlicher Richtung. Da man den Russen möglichst wenig Zeit zum Atem¬
holen gönnen wollte, wurde auch diesmal von einer tiefergreifenden Um¬
gruppierung der Streitkräfte abgesehen, die übrigens auch durch die
Bahnlage in den von den Russen geräumten Landesteilen sehr erschwert
worden wäre. Nicht zu Unrecht hatte Conrad am 12. Mai bei seinem Be¬
suche im deutschen Hauptquartier auf die Ähnlichkeit der augenblick¬
lichen Kriegslage mit jener im Oktober 1914 hingewiesen, dabei aber
auch daran erinnert, daß damals ein Feind in seiner vollsten Machtent¬
faltung zu bekämpfen war, indes man es jetzt mit einem stark ausgeblu¬
teten und auch in seiner Moral schwer getroffenen Gegner zu tun hatte.
Auf russischer Seite fanden die in den letzten Tagen gefaßten und
zum Teil schon in Ausführung befindlichen Entschlüsse in einem Befehle
ihren Niederschlag, den Gen. Iwanow nach mannigfachem Meinungs¬
austausch mit der Stawka und mit den untergeordneten Kommandos
am 13. Mai erließ, zu einem Zeitpunkte, da die Armee Dimitriew schon
ihre neuen Stellungen am San erreicht hatte. Aus diesen Weisungen geht